Etwa 25 Kilometer in nordöstlicher Richtung von Antananarivo entfernt im zentralen Hochland Madagaskars befinden sich der Königshügel von Ambohimanga. Die Straße dorthin ist zwar verhältnismäßig gut, aber durch den sehr chaotischen und dichten Verkehr in Tana kann eine Fahrt nach Ambohimanga je nach gewählter Uhrzeit problemlos ein bis drei Stunden allein für den Hinweg in Anspruch nehmen. Planen Sie lieber einen ganzen Tag Zeit ein, wenn Sie Ambohimanga besichtigen möchten.
Ambohimanga bedeutet auf Deutsch schlicht „blauer Hügel“. Er ist der bedeutendste und höchste der zwölf heiligen Hügel, über die sich Madagaskars Hauptstadt Tana ausbreitet, und 1468 m hoch. Der Palastbereich selbst ist umgeben von einem ehemals dichten Waldgürtel, der ein Überrest des ursprünglich überall im Hochland vorhandenen Primärwaldes ist. Erste Nachweise über die Existenz Ambohimangas reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück. Damals hieß der Ort Tsimadilo, wurde dann nach einer frühen Herrscherfamilie in Andriamborona umbenannt und schließlich zu Ambohitrakanga, was so viel wie „der Hügel der Perlhühner“ bedeutet.
Ende des 17. Jahrhundert herrschte König Andriamasinavalona, der dem Hügel samt seines Palastes seinen heutigen Namen, Ambohimanga, gab. Die Legende besagt, dass er sein Reich an einen von fünf Söhnen weitergeben musste. Unter dem erwählten Sohn, König Andriantsimitioviamninandrianadrazaka, wurden ab 1710 etliche Mauern, Gräben und anderen Elemente von Befestigungsanlagen hinzugefügt. Unter ihm wurde auch der größte Teil der späteren Palastanlagen und des Dorfs Ambohimangas erweitert. Es folgte als Regenten 1730 sein Sohn Andiambelomasina, der 12 Enkel hatte. Die Madagassen erzählen sich heute, dass er alle diese Enkel eines Tages zu sich rufen ließ. Er legte ihnen verlockende Geschenke vor, und ein jeder sollte eines davon wählen. Nur einer nahm das unscheinbarste, ein Körbchen Erde, und der weise Herrscher sah, dass dies der richtige Regent für sein Volk sein würde.
Im Jahre 1787 begann mit dieser Geschichte die Regentenzeit des berühmtesten Königs von Ambohimanga, Andrianampoinimerina. Sein Wunschtraum war es, Madagaskars Stämme und Regententümer zu einem geeinten Volk machen. Ihm selbst gelang dies zu Lebzeiten nicht, aber mit seinen vielen Neuerungen läutete er eine neue Epoche ein. Von Andrianampoinimerina soll der sinngemäße Ausspruch stammen „Wer Ambohimanga entweiht oder zerstört, dem wird von den Ahnen gleiches widerfahren“. Unter dem berühmtem König lebten Repräsentant aller Clans des Königsreiches in ihnen zugewiesenen Hütten in Ambohimanga, es gab Regeln zur Straßenreinigung, für Witwen und Waisen wurden Reisvorräte angelegt und der umgebende Wald unter Schutz gestellt. Diese Vorgaben waren für Madagaskar zu dieser Zeit revolutionär, und so bedeutet der Name des Königs auch passenderweise „der, der immer in den Herzen der Merina bleibt“. Eine andere Übersetzung ist „der, der nicht so ist wie die dummen“. Aus der Zeit dieses Königs und dessen Tauschhandel mit anderen Ländern sind noch Kanonen erhalten, die die Initialien der Royal Marines (England) tragen.
Als Andrianampoinimerinas Sohn Radama I. 1810 seinen Regierungssitz nach Antananarivo verlegte, verlor Ambohimanga seinen Status als Hauptstadt des Landes. Dafür gelang ihm jedoch, was seinem Vater nicht geglückt war: Die Vereinigung der Madagassen unter einem einzigen Herrscher. 1828 kam mit dem Tod ihres Gatten Radama Königin Ranavalona I. durch Tötung aller anderen potenziellen Regenten (Ehefrauen, Söhne, Mutter) an die Macht. Sie regierte über viele Jahre, bis 1861. Ranavalona I. ging eher unrühmlich in die Geschichte ein. Während der über 30 Jahre ihrer Regentschaft folterte und mordete sie sowohl Untertanen, versuchte zugezogene Ausländer auszurotten und schottete ihr Reich gegen jeden Einfluss von außen ab. Nach ihr folgten Radama II., Rasoherina, und Ranavalona II. Die letzte Regentin Ambohimangas hieß Ranavalona III., sie musste 1896 ihre Herrschaft an die französische Kolonialmacht abgeben.
Heute verfügt der Königshügel über die besterhaltenste Palastanlage Madagaskars. Mittelpunkt der verwinkelten Anlage ist das sehr schlicht gehaltene Wohnhaus des berühmten Königs Andrianampoinimerina, das komplett aus dunklem Palisanderholz mit einem Satteldach aus Schindeln erbaut ist. Es besteht nur aus einem einzigen Raum ohne jeden Prunk. Innen bilden fünf Steine die Reste einer offenen Herdstelle, und das Bettgestell des Königspaars für deren Hochzeitsnacht sowie das Hochbett des Königs selbst sind noch vorhanden. Außerdem gibt es einige alte Speere, Messer sowie original Kochtöpfe zu besichtigen. In halber Höhe und direkt unter dem Dach des Hauses verlaufen schmale Holzplanken, auf die sich der König bei unbekanntem Besuch zurückziehen konnte. Während eine seiner Frauen die Gäste ausfragte, lauschte der offiziell „abwesende“ König dem Gespräch heimlich von oben. Durften die Gäste bleiben oder wollte der König sie selbst empfangen, warf er von oben ein kleines Steinchen zur Rechten seiner Frau herunter. Wer heute eintreten will, muss mit dem rechten Fuß zuerst gehen, und mit dem linken zuerst rückwärts wieder aus der Tür kommen – die Tradition verlangt es so.
In direkter Nähe zum Königshaus steht das im englischen Stil erbaute Wochenendhaus der Königin Ranavalona I., in dem sich noch original alte Betten, Sofas, Schränke und anderes Mobiliar aus dem 18. Jahrhundert befinden. Hinter den beiden Königshäusern liegt eine Reihe von Grabstätten (Holzhäusern), in denen ursprünglich die berühmten Könige beerdigt worden waren. An ihnen werden auch heute noch kleine Opfergaben für die Ahnen abgelegt – früher geschlachtete Hühner, heute Süßigkeiten, Honig und Rum.
Der nördliche Bereich der Palastanlage war zu Königszeiten auch Gerichtsstuhl (wobei natürlich letztlich stets der König Recht sprach) und Ort der Ausrufung neuer Könige. Zu diesem Zweck wurde ein großer Stein im Schatten eines heiligen Baums genutzt. Man erzählt sich, dass Andrianampoinimerina nur 1,45 m groß gewesen sein soll und daher stets einen „Untersatz“ benötigte, um zum Volk zu sprechen. Gleich daneben befindet sich ein von Menschenhand angelegter Teich, der Amparihy. Er diente als rituelles Bad, Ort der Reinwaschung von Sünden und zu Beschneidungen.
Vor der Palastanlage selbst liegt ein großer öffentlicher Platz, der Fidasiana. Der nach Osten gewandte Teil des Platzes war einst heilig und für Grabstätten vorgesehen. Die Gebeine der Könige wurden in einem eigens dafür geschaffenen Haus, dem Tranomanara, verwahrt. Dieses wurde 1897 von der französischen Kolonialmacht abgerissen, die königlichen Gebeine wurden in die Hauptstadt Tana gebracht. Ziel war es, die Bedeutung des ehemaligen Königshügels zu untergraben und die französische Macht zu unterstreichen. Stattdessen errichteten die Franzosen eine Kaserne anstelle des Tranomanaras. Sieben Jahre später konnten alle Zeichen französischer Übermacht von Ambohimanga endgültig wieder entfernt werden. Auf dem Fidasiana befinden sich noch heute verschiedene heilige Bäume, einige davon sind fast 500 Jahre alt – einige Madagassen vor Ort sprechen sogar von 1500 Jahren. Neben einem großen, flachen, heiligen Felsen zur Verkündung königlicher Botschaften gibt es einen zweiten heiligen Fels, der für Opfergaben vorgesehen war und ist. Auf dem daneben befindlichen Platz wird auch heute noch jedes Neujahr ein Zebu geschlachtet, das dann auf dem Fels zerteilt, zubereitet und unter den versammelten Madagassen verteilt wird.
Die Palastanlagen sind umgeben von verschiedenen Mauern und Gräben, von denen nur noch wenige existieren, viele wurden in hunderten von Jahren von Pflanzen überwuchert oder zerfielen. Die äußere Mauer verfügt über sieben Tore, die 1787 errichtet wurden, jedes mit einer eigenen Funktion und Bedeutung. Die drei wichtigsten Tore sind die Haupteingänge, je eines im Osten (Ambatomitsangana) und eines im Westen (Andakana) der Mauer sowie das Tor des Königs, Ambavahaditsiombiomby. Der Name des letzteren bedeutet soviel wie „kein Rind geht durch“ und wird von zwei großen Felsen flankiert. Zwei weitere Tore, Miandrivahiny im Nordwesten und Amboara im Norden, waren ausschließlich für den Transport von Toten vorgesehen. Im Süden und Südwesten befinden sich die Tore Ampitsaharana und Andranomatsatso, die vorwiegend als Wachposten dienten. Das siebte und letzte Tor der inneren Mauer ist Antsolatra.
Zu Zeiten der Könige wurde jedes Tor am Abend von einer riesigen, tonnenschweren Steinplatte verschlossen. Die Legende besagt, dass der Stein vor dem Portal des Königs von bis zu 70 Soldaten gleichzeitig verschoben werden mussten. Heute sind an einigen Toren noch einzelne Steinplatten vorhanden, diese wiegen teils bis zu 12 Tonnen. Die innere Mauer mit weiteren sieben Toren wurde später erbaut. 2001 wurde Ambohimanga zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt und ist bis heute die bedeutendste Ahnenkultstätte für das Volk der Merina. Zu bestimmten Anlässen und Jahreszeiten pilgern sie auf den blauen Hügel, um die Ahnen zu ehren, Opfergaben abzulegen und um den Segen der Verstorbenen für das Leben ihrer Familien zu bitten.
Aktuell ist die Palastanlage leider in einem recht heruntergekommenen Zustand und wird nur wenig von Reisenden besucht. Wegen der zusätzlichen langen An- und Rückfahrt kann ein Besuch daher nur geschichtlich sehr interessierten Reisenden empfohlen werden. Die Palastanlage ist täglich von etwa 9 bis 17 Uhr geöffnet, und kann gegen kleines Geld inklusive Führung (Dauer rund eine Stunde) besichtigt werden. In selbiger ist der Besuch der Mauern Ambohimangas sowie des übrigen Hügels leider nicht inbegriffen, doch man kann sich selbst zu Fuß auf den Weg machen. Ein Lageplan zur Orientierung befindet sich auf dem Vorplatz der Palastanlage, eines der großen Steintore Ambohimangas befindet sich in Mitten des nächsten Dorfes unter dem Palast.