Brandneues

Taxibrousse

Unter der französischen Bezeichnung Taxibrousse sind die madagassischen Buschtaxis bekannt, eine Art Sammeltaxi für Überlandfahrten. Sie sind für die meisten Madagassen die einzige Möglichkeit, größere Strecken zu bezahlbaren Preisen zurückzulegen und sind Teil des madagassischen Lebensgefühls.

Ein Taxibrousse wartet auf Gäste
Ein Taxibrousse wartet auf Gäste

Taxibrousse werden von verschiedenen Firmen betrieben. Meist handelt es sich bei den Fahrzeugen um in Europa ausrangierte, alte Mazda-, Peugeot- oder Mercedes-Busse, die billig aufgekauft und nach Madagaskar exportiert wurden. Vor Ort werden die alten Busse auseinandergebaut und modifiziert. Statt der ursprünglichen Sitzreihen und des Kofferraumes werden vier bis fünf Sitzbänke eingebaut, so dass außer dem Fahrer locker zehn Menschen in einem Fahrzeug Platz finden. In der Regel fährt jedoch kein Taxibrousse-Fahrer los, bevor nicht deutlich mehr Menschen – über 20 sind keine Seltenheit – eingestiegen sind. Der technische Zustand der Fahrzeuge ist meist schlecht. Es wird einfach per Hand geschraubt, repariert und notdürftig geflickt, wo es nötig ist. An der Ostküste und im Süden fungieren in einigen, sehr unzugänglichen Gebieten auch Tata-Busse, alte Unimogs oder umgebaute Landrover als Taxibrousse-Ersatz.

Taxibrousse findet man in der Hauptstadt Tana auf dem riesigen Taxibrousse-Bahnhof nahe des Handwerkermarkts am östlichen Stadtrand, in anderen Städten gibt es ähnliche Treffpunkte. Mit viel Gepäck oder offen getragenem Schmuck oder Kameras sollte man sich hier aber nicht blicken lassen: Durch die hohe Armut ist die Kriminalitätsrate gerade an Taxibrousse-Stationen hoch. Jedes Taxibrousse hat an der Windschutzscheibe entweder ein Pappschild, auf dem das Ziel der Reise steht, oder der Ort wurde gleich auf die Scheibe selbst gemalt. Man sucht sich hier das passende Reiseziel und zahlt dem Fahrer den Fahrpreis. Für wenige Euro kann man mit dem Taxibrousse viele Hundert Kilometer zurücklegen. Die Strecke beispielsweise von Antananarivo nach Ambanja kostet rund 45.000 Ariary, das sind je nach Währungslage 10 bis 15 € für rund 900 km und über 20 Stunden Fahrtzeit. Ist man sich über den Fahrtpreis einig geworden, wird das Gepäck auf’s Dach geladen. Im Beladen sind die Madagassen sehr erfinderisch, aber auf die Statik des Busses wird keinerlei Rücksicht genommen. Es wird solange aufgeladen, bis alles verstaut ist. Meist finden sich auf dem Dach eines Taxibrousses bunte Sammelsurien aus Körben, Taschen, Töpfen, schweren Reissäcken, Fahrrädern, Möbeln, Plastiksäcken voller Kleidung und allerlei anderen Dingen. Selbst Ziegen sieht man hin und wieder auf Taxibrousse-Dächern mitfahren. Oft landen Hühner im Innenraum, und man gewinnt so einen unfreiwilligen tierischen Nachbar für die Fahrt.

Verrostetes Taxibrousse
Verrostetes Taxibrousse mit Ente auf dem Dach

Los geht es, sobald der Fahrer genug Gäste eingesammelt hat. An einigen Orten kann das durchaus den ganzen Tag dauern, so dass Verspätungen und lange Verzögerungen ganz normal sind. Mora, mora – übersetzt „immer mit der Ruhe“ – wird hier gelebt. Manchmal fährt das Taxibrousse erst am nächsten Tag oder später, auch wenn der Fahrer etwas ganz anderes gesagt hat. Pünktlich abgefahren ist wohl noch kein Taxibrousse auf ganz Madagaskar.

Taxibrousse halten nur in großen Städten oder bestimmten Dörfern, die direkt an der Fahrstrecke liegen. Sie fahren weder Nationalparks ohne Anschluss an eine Route Nationale (RN) oder andere Ziele außerhalb der üblichen Routen an, auch nicht gegen Aufpreis. Diese Tatsache sollte man unbedingt bedenken, denn es kann leicht passieren, dass man sonst irgendwo im Nirgendwo abgesetzt wird und sich langwierig eine Transportmöglichkeit suchen muss, bevor man im eigentlichen Zielort überhaupt ankommt. Unterwegs wird nur nach etlichen Stunden zu Pinkelpausen angehalten, ein kurzer Stopp für Fotos ist in der Regel nicht drin. Der Fahrer wird außerdem pro Fahrgast bezahlt, er ist also sehr daran interessiert, so schnell wie möglich mit sovielen Personen wie möglich an sein Ziel zu kommen. Je schneller er die gleiche Tour zurückfahren kann, desto mehr Geld kann der Fahrer verdienen. Daraus lässt sich bereits erahnen, in welch halsbrecherischem Fahrstil viele Taxibrousse unterwegs sind. Der Zustand der Fahrzeuge sowie oft schwierige Straßenverhältnisse machen die madagassischen Buschtaxis damit leider zum gefährlichsten Verkehrsmittel des Landes. Pannen und Unfälle sind an der Tagesordnung, und gerade auf kurvigen Strecken enden letztere oft tödlich. Hunde oder Hühner auf der Straße sind nirgends ein Hindernis für Taxibrousse, sie werden einfach plattgefahren. Vielmehr lernt man auch als Fußgänger sehr schnell, auf den RN zur Seite zu springen, sobald ein röhrender Motor in der Ferne auftaucht.

EIn Taxibrousse wird beladen
Ein Taxibrousse wird beladen

Wer unbedingt extrem günstig reisen möchte, ist bei den Taxibrousse sicher richtig. Ein außergewöhnliches Erlebnis ist die Fahrt bestimmt, und sicherlich wird man viele spannende Menschen kennenlernen. Angesichts der unzähligen Unfälle mit Taxibrousse sollte man jedoch vorher überlegen, was einem der eigene Komfort und vor allem die eigene Gesundheit wert ist. Eins wird man ganz sicher in einem Taxibrousse erleben: Madagassisches Lebensgefühl hautnah.

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