Nur wenige Tiere können im trockenen, heißen Süden Madagaskars dauerhaft überleben. Einer davon ist der Madagaskar-Sandleguan (Chalarodon madagascariensis). Madagaskar nennt keine großen Leguane, wie man sie aus Amerika kennt, sein Eigen. Stattdessen sind die hiesigen Leguane sehr klein, wendig und flink – sie sind so speziell, dass sie eine eigene Familie bilden, die nirgendwo anders auf der Welt vorkommt: Die Madagaskar-Leguane (Opluridae). Der Sandleguan ist der kleinste Familienvertreter, er erreicht maximal 23 Zentimer von der Nasen- bis zur Schwanzspitze.
Er lebt, wie sein Name bereits vermuten lässt, im Süden Madagaskars in sehr trockenen Regionen vom Landesinneren bis zur Küste. Das Verbreitungsgebiet reicht von den Tsingy de Bemaraha und Zombitse bis nach Toliara (Tuléar) an der Südwestküste. 2015 wurde eine Schwestern-Art aus Madagaskar neu beschrieben, die im Gegenzug den Südosten der Insel besiedelt. Der Lebensraum des Madagaskar-Sandleguans besteht aus den Rändern der übrig gebliebenen Dornwälder, Trockenwäldern und spärlich bewachsenen, sandigen Savannen. Hier ist es das ganze Jahr über heiß, Temperaturen von 30°C und mehr sind die Regel. Regen gibt es oft nur an wenigen Tagen im Jahr. Die Tiere haben sich jedoch über Jahrhunderte perfekt an diese Bedingungen angepasst. Die Nacht verbringt ein Sandleguan in selbst gegrabenen, unterirdischen Gängen. Die Höhlensysteme schützen vor Angreifern und bieten angenehme Kühle, die die Tiere auch in der Mittagshitze zu schätzen wissen. Lediglich die Mahafaly-Natter, der erbittertste Gegner der Sandleguane, spürt die kleinen Reptilien auch in ihren Gängen auf.
Beschrieben wurde der Madagaskar-Sandleguan übrigens 1854 neben vielen anderen Reptilienarten vom deutschen Zoologen Wilhelm Peters nach einer Expedition auf die rote Insel. Gefunden hatte er das mitgenommene Exemplar in der Bucht von St. Augustin. Der Ort heißt heute Ianantsony, liegt nahe Toliara und immernoch kann man dort Sandleguane finden. Die beste Zeit dafür ist die Regenzeit, genauer die Monate Dezember bis März. Dann sind die Tiere mitten in ihrer Paarungszeit, und am besten zu beobachten. Zur Umwerbung eines Weibchens zeigen die Männchen ihre schönsten Farben: Die sandfarbenen Beigetöne gehen dann auf dem Rücken in knalliges Gelb, durchsetzt von hellen Punkten, oder gelben Punktem auf eher orangefarbenem Untergrund mit braunen Streifen, über. Auch der kleine Rückenkamm, den die Weibchen nicht tragen, kommt dann zur Geltung.
Jedes Männchen hat nun sein eigenes Revier von einigen Metern Durchmesser, das es vehement gegen Eindringlinge verteidigt. Kommt ein anderer männlicher Sandleguan zu nahe an die gesteckten Grenzen, beginnt der Revierbesitzer mit Drohgebährden. Er schlägt mit dem Schwanz und nickt mit dem Kopf in Richtung des Kontrahenten. Nutzt das alles nichts, wird zum Angriff übergegangen: Meist verschwindet der Unterlegene dann sehr schnell, nur sehr selten kommt es zu Verletzungen. Betritt dagegen ein Weibchen das Revier, wird es sofort umworben. Ist es dann auch noch paarungsbereit, beißt das Männchen ihr geschwind in den Nacken und hält es so fest, bis die Paarung nach wenigen Sekunden schon vorüber ist.
Nach zwei bis drei Wochen legt das Weibchen zwei kleine, weiße Eier in ihr unterirdisches Gangsystem ab. Nach gut zwei Monaten schlüpfen kleine Madagaskar-Sandleguane, die gerade mal zwei Zentimeter groß sind. Trotzdem können sie schon alles, was auch ihre Eltern können: Vom ersten Tag an sind sie geschickte Jäger. Auf dem täglichen Speiseplan stehen vor allem Insekten, nur gelegentlich nehmen die Tiere pflanzliche Nahrung auf. Kleine Käfer, Termiten und Ameisen machen den größten Teil der Nahrung aus. Durch die langen Hinterbeine, die langen Zehen und den langen, stabilisierenden Schwanz sind Madagaskar-Sandleguane in der Lage, blitzschnell über den heißen Sand zu jagen, ohne sich dabei die Füße zu verbrennen.
Ein weiteres Charakteristikum, das typisch für Leguane ist, ist das sogenannte „dritte Auge“ auf dem Kopf. Mit diesem sogenannten Parietalauge können Madagaskar-Sandleguane zwar nicht richtig sehen, aber durchaus Kontraste und Helligkeit wahrnehmen. Man geht davon aus, dass es unter anderem bei der Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus von Bedeutung ist. Da Sandleguane auf Madagaskar noch in großer Zahl vorkommen und sich auch menschliche Siedlungen zunehmend als Lebensraum erschließen, werden sie auf der roten Liste der IUCN als nicht gefährdet eingestuft. Sie haben deshalb jedoch leider auch keinerlei Schutzstatus, weder auf Madagaskar noch international. Ob dies irgendwann zum Problem für die kleinen Reptilien werden könnte, steht allerdings in den Sternen.