Eigentlich sind sich die madagassischen Buntfröschchen alle sehr ähnlich: Knallige Farben, klein und schlank, Bodenbewohner. Doch eines tanzt aus der Reihe: Mantella laevigata. Das Buntfröschchen wurde 1913 von den englischen Zoologen Paul Ashleyford Methuen und John Hewitt beschrieben, die zwei Jahre zuvor eine sieben Monate dauernde Expedition nach Madagaskar unternommen hatten. Es wird maximal 29 mm groß, trägt auf Kopf und Rücken knallgelbe Farbe auf braun-schwarzem Grund und blaue Punkte an Händen und Füßen – so weit, so ähnlich den anderen Buntfröschchen. Die Farbe dient der Abwehr vor Fressfeinden, und soll Giftigkeit signalisieren. Tatsächlich produzieren Buntfröschchen in ihrer Haut giftige Alkaloide, für Menschen sind diese jedoch völlig ungefährlich.
Besonders die Insel Nosy Mangabe, Teil des Nationalparks Masoala, ist bekannt für ihre großen Vorkommen von Mantella laevigata. Im März und Oktober kann man die kleinen Frösche tagsüber in rauen Mengen überall auf der dichten Laubschicht, auf Baumstümpfen und an moosigen Stämmen auf der Insel finden. Im Nationalpark Marojejy sowie in Mananara und Tsararano, ebenfalls im Nordosten Madagaskars, kann man die Buntfröschchen auch beobachten. Anderswo auf der Welt kommt sie nicht vor.
Mantella laevigata ist eines der am besten erforschtesten Buntfröschchen Madagaskars, was es sicherlich seiner für Buntfröschchen teils sehr untypischen Lebensweisen zu verdanken hat. Zum einen ist es zwar ein Bodenbewohner im Regenwald, klettert aber im Gegensatz zu anderen Arten der Gattung auch auf Bäume. Schon bis vier Meter Höhe wurde es gefunden – andere Buntfröschchen sind ausschließlich auf der Erde und im Laub zu finden. Außerdem braucht es nicht zwingend Bachläufe oder größere Gewässer, um sich fortzupflanzen und zu überleben: Das ist für Buntfröschchen eigentlich völlig undenkbar.
Die Männchen rufen während der Fortpflanzungssaison, vor allem zu Beginn und Ende der Regenzeit, tagsüber laut an dem von ihnen auserkorenen Eiablageplatz. Der Ruf lockt Weibchen an – aber auch andere Männchen. Kommt ein anderes Männchen dem ausgewählten Baumloch zu nahe, verwickeln sich die beiden Kontrahenten gerne mal in kleine Kämpfe. Wer seinen Platz und ein Weibchen erfolgreich verteidigt, befruchtet die Eier seines Buntfröschchens nach einem kurzen Amplexus. Die Eiablage ist bei Mantella laevigata auffällig anders als bei anderen Buntfröschchen: Anstatt Eier in Gelegen im Laub zu verstecken, kleben die Weibchen je ein einzelnes weißes Ei – ab und zu auch zwei zusammen – ein paar Zentimeter über dem Wasserspiegel in kleinen, mit Wasser gefüllten Baumlöchern oder abgebrochenen Bambusrohren fest. Teils hängen die Eier so in der Sonne, dass sie austrocknen. In den Eiern jedoch, die sich erfolgreich entwickeln, kann man nach zwei Tagen schon einen Embryo erkennen.
Nach einigen Wochen schlüpft die Kaulquappe, und fällt direkt in das stehende Wasser unter sich. Dort ernährt sie sich von allem, was an winzigen Insekten in das Baumloch oder Bambusrohr fällt. Oft bringt das Weibchen seinem eigenen Nachwuchs unbefruchtete Eier zum Fressen, um die Nahrungsversorgung sicherzustellen. Die Männchen bleiben in der Nähe des Baumlochs und verteidigen ihr Revier gegen Eindringlinge. Mantella laevigata ist das einzige Buntfröschchen, von dem dieses Phänomen elterlicher Fürsorge bekannt ist. Rund zwei Monate dauert es, bis die Verwandlung von der Kaulquappe zum Frosch vollständig abgeschlossen ist. Ausgewachsen sind Buntfröschchen mit etwa einem Jahr. Sie ernähren sich vorwiegend von Ameisen, Termiten und Milben, verschmähen aber auch andere winzige Insekten wie Fliegen nicht.
Von der IUCN wird die Art als „near threatened“, also potenziell gefährdert, auf der roten Liste geführt – zusammen mit dem Hinweis, dass sie vermutlich in einigen Jahren höher eingestuft werden muss. Der Lebensraum des kleinen Buntfröschchens ist bereits jetzt nicht größer als 20.000 km². Es ist davon auszugehen, dass die Art in ungeschützten Gebieten nach Brandrodung und bei Nutzung durch den Menschen nicht mehr überleben kann. Lediglich Rückzugsgebiete wie die Insel Nosy Mangabe können dann dafür sorgen, dass Mantella laevigata auch in hundert Jahren noch bewundert werden kann. Seit etlichen Jahren wird die Art auch außerhalb Madagaskars in Terrarien nachgezüchtet.