Die Madagaskar-Hakennasennatter (Leioheterodon madagascariensis) gehört wahrscheinlich zu den häufigsten Schlangen Madagaskars. Man trifft sie fast überall auf der Insel: Die Regenwälder der Ostküste sind genauso ihre Heimat wie der heiße, trockene Westen Madagaskars. Selbst mit weitestgehend zerstörten Wäldern kommt die Art gut zurecht. Auch Gärten, Campgrounds und Hüttendörfer gehören zu ihrem Lebensraum. Und sogar Inseln vor Madagaskars Küste hat die Hakennasennatter längst erfolgreich besiedelt, darunter Nosy Be und Nosy Mangabe.
Der madagassische Spitzname der Hakennasennatter ist menarana. Sie erreicht auf Madagaskar Längen von bis zu 1,80 m bei maximal der Dicke eines menschlichen Unterarms. Hakennasennattern sind tagaktiv und leben im Laub und Unterholz, aber auch in unterirdischen Höhlen. Sie sind nicht wählerisch, was ihre Nahrung angeht. Von kleinen Reptilien über Frösche, Vögel, Eier oder auch mal anderen Schlangen bis zu kleinen Lemuren oder Tenreks ist fast alles eine gute Beute. Die namensgebende Hakennase hilft den Nattern, Beute in der Erde aufzuspüren. Der Beutefang erfolgt meist mit einem gezielten Biss. Einige Beutetiere werden erwürgt, andere einfach lebendig verspeist.
Die Fortpflanzung dieser kräftigen Schlangen findet relativ versteckt statt. Bei der Paarung windet sich das Männchen um das größere Weibchen, und führt einen seiner Hemipenes – er hat immerhin zwei davon – in die Kloake des Weibchens ein. Nach einigen Wochen legt das Weibchen rund zehn längliche, weich beschalte, weiße Eier in einer Erdhöhle ab. Ganz im Gegensatz zu vielen anderen Schlangen bewachen einige Madagaskar-Hakennasennattern ihr Gelege und verteidigen es vor möglichen Ei-Räubern. Sind die Jungtiere nach etwas mehr als zwei Monaten geschlüpft, war es das aber auch mit der Pflege. Die jungen Schlangen sind innerhalb der ersten Lebenstage bereits fähig, eigene kleine Beute zu fangen.
Die Hakennasennatter gehört zu den Trugnattern. Das bedeutet, dass sie ganz hinten im Oberkiefer zwei größere Zähne besitzen, durch deren Furchen sie bei einem Biss Gift in ein Beutetier einbringen können. Allerdings zeigen Studien, dass Madagaskar-Hakennasennattern dieses leichte Gift zur Überwältigung ihrer Beute kaum einsetzen. Der Nutzen der vermutlich vorhandenen Duvernoy’schen Drüsen ist daher bis heute unklar. Für Menschen ist das Gift der Hakennasennatter relativ ungefährlich.
Unter Madagassen ist die Hakennasennatter unbeliebt, da sie verhältnismäßig groß wird, sich bei hohen Temperaturen enorm schnell bewegt und als giftig gilt – auch wenn nur wenige Berichte von Bissverletzungen existieren. Diese belaufen sich meist auf Bisse ohne jegliche Folgen. Nur einzelne Bissverletzungen führten nach regelrechten Kaubewegungen der Madagaskar-Hakennasennatter bisher zu Schwellungen rund um die Bissstelle, die in einem Fall über eine Woche lang anhielten. Viele Madagassen haben aber generell Angst vor Schlangen, zumal vor solchen Arten, die sich wie Leioheterodon madagascariensis bei Bedrohung aufrichten, um größer und imposanter zu erscheinen. Bei der Hakennasennatter ist dieses Aufrichten jedoch eher ein Bluff – im Zweifel nutzt sie den Überraschungsmoment des Angreifers, um zu fliehen. Trotzdem wird sie auf Madagaskar häufig von Menschenhand getötet. In der Natur hat sie außer dem Mensch kaum Feinde – lediglich Jungtiere können von großen Raubvögeln und anderen Schlangen erbeutet werden.
Obwohl Leioheterodon madagascariensis so enorm anpassungsfähig ist, kommt sie ursprünglich nur auf Madagaskar vor. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts soll ein Mann namens Humblot – welcher Humblot genau, weiß niemand mehr – die Art auf die Insel Grande Comoro gebracht haben, um die dortige Rattenplage einzudämmen. Seitdem ist Leioheterodon madagascariensis rund um die Stadt Dabiou verbreitet und vermehrt sich dort problemlos. Auch dieses Beispiel zeigt, wie gut die Art mit verändertem Lebensraum zurechtkommt. Selbst in die Terraristik hat sie es vereinzelt schon geschafft. Von in Terrarien gehaltenen Hakennasennattern gibt es Berichte, dass sie bis zu 30 Jahre alt werden können. Um den Fortbestand der Madagaskar-Hakennasennatter muss man sich also nicht sorgen – sie kommt schon durch.
Wer Hakennasennattern in ihrer natürlichen Umgebung beobachten möchte, hat dazu in vielen Nationalparks und Reservaten Madagaskars die Gelegenheit, darunter besonders in Ankarana, Ankarafantsika, im Montagne d’Ambre oder in Kirindy. Besonders nach ergiebigen Regenfällen ist die Chance auf eine Sichtung gut: Die Hakennasennattern kommen dann aus ihren Verstecken und gehen auf Jagd.