Die meisten Tiere, die nur auf Madagaskar vorkommen, sind sehr speziell. Auch die Streifentenreks haben so ihre Eigenheiten und gelten als die am höchsten spezialisierten aller 31 Tenrek-Arten. Sie gehören zu den Igeltenreks – sie haben Stachel wie Igel, sind aber tatsächlich mit den Igeln nicht einmal verwandt. Auch die Stacheln sind nicht ganz echt: Es handelt sich eher um ein borstiges Fell, aus dem im Rücken, Nacken- und Kopfbereich Stacheln herausragen. Charakteristisch für den eigentlichen Streifentenrek (Hemicentetes semispinosus), um den es in diesem Artikel geht, ist das gelb-schwarz gestreifte Fellmuster. Er kommt nur entlang der Ostküste Madagaskars vor, bewohnt dabei aber Regenwälder genauso wie kleine Waldgebiete nahe Reisfeldern, selbst einige von Menschen bewohnte Gebiete hat er erobert. Die südliche Grenze des Vorkommens liegt etwa im Andringitra-Gebirge, die nördliche sind die Nationalparks Marojejy und Anjanaharibe-Süd.
Der Streifentenreks gräbt mit seinen großen Händen und Füßen unterirdische Bauten nur eine Hand breit unter der Erde, die er als Schlafstätte nutzt. Der Eingang wird mit Gräsern und Gestrüpp verdeckt, der Schlafbereich mit Pflanzenteilen ausgepolstert. Das Klo wird vor dem Ausgang gegraben – eine Außenlatrine sozusagen – wer will schon neben seinen Hinterlassenschaften schlafen? Alle zwei Wochen wechselt der Streifentenrek den Bau, um potenziellen Beutegreifern möglichst wenig Gelegenheit auf einen erfolgreichen Beutezug zu bieten.
Fossa und Ringelschwanzmanguste gehören zu den größten Feinden des Streifentenreks. Im Gegensatz zu anderen Tenreks kann der Streifentenrek sich nicht schützend zu einer stacheligen Kugel zusammenrollen. Existiert keine Fluchtmöglichkeit, stellt er seine Stacheln im Nacken und auf dem Kopf zu einer Art Irokesenfrisur auf. Weicht der Gegner nicht zurück, geht der Tenrek zum Angriff über und hüpft mit Kopf voran Richtung Gegner. Die Stacheln haben kleine Widerhaken und bohren sich Angreifern so direkt in die Haut. Abgeworfene Stacheln wachsen stets nach, so dass der Streifentenrek bald wieder voll ausgerüstet für den nächsten Angreifer ist.
Nur die Stacheln des Stridulationsorgans können nicht nachwachsen. Das ist ein bestimmter Bereich von dickeren Stacheln auf dem Rücken, die gegeneinander gerieben werden können und dadurch leise Geräusche verursachen. Mit den so verursachten Geräuschen kommunizieren Streifentenreks im Wald über einige Meter mit ihrer Familie. Dazu ist ihr Geruchssinn sehr gut ausgebildet, während ihre winzigen Äuglein nur wenig sehen können. Man weiß außerdem, dass Streifentenreks mit ihrer Zunge Klicklaute erzeugen, um sich an deren Echo zu orientieren.
In der Dämmerung werden Streifentenreks aktiv, verlassen ihren Bau und stöbern durch das dichte Laub des Waldbodens, auf der Suche nach Regenwürmern, seltener auch Insektenlarven. Im Laufe einer Nacht fressen sie teils Futtermengen in der Größenordnung ihres eigenen Körpergewichts. Eine zweite Aktivitätsphase gibt es am frühen Morgen, zu den übrigen Tag- und Nachtzeiten sind sie nur sporadisch aktiv und verschlafen die meiste Zeit.
Mit der Regenzeit ab Oktober ändert sich das Sozialverhalten des Streifentenreks erheblich. War er bisher nur als Einzelgänger unterwegs, sammeln sich jetzt Familien und entfernte Bekannte zu kleinen Kolonien zusammen. Es ist Zeit, für Nachkommen zu sorgen! Und wann ist die Auswahl besser als wenn Streifentenreks aus der gesamten Umgebung zusammen kommen? Die Partnerwahl ist schnell getroffen, und nach einem Schnüffelritual geht es schnell zur Sache. Die Weibchen sind rund zwei Monate trächtig, entlassen aber im Gegensatz zu anderen Tenrekarten den Papa der Jungen nicht aus seiner Pflicht: Er muss genauso wie das Weibchen für die Aufzucht sorgen.
Pro Wurf können bis zu elf Jungtiere geboren werden – eine stattliche Zahl für ein so kleines Tier. Die Tenrekmütter sind allerdings auch etwas besser ausgestattet als das durchschnittliche Säugetier: Sie haben bis zu 20 Zitzen und damit genug Platz an der Milchbar für große Würfe. Die Jungtiere entwickeln sich rasant. Sie werden zwar blind und nackt geboren, verlassen aber schon im Alter von neun Tagen das erste Mal den Bau. Bereits mit vier bis fünf Wochen sind die ersten Jungtiere geschlechtsreif – eine bemerkenswert frühe Reife, wie man sie sonst unter den Säugetieren höchstens von Mäusen kennt. Entsprechend gut vermehren Streifentenreks sich in der Regenzeit und erreichen Höchstgewichte von bis zu 220 Gramm bei 15 cm Körperlänge. Man schätzt, dass die Tiere nur ein Alter von etwa zwei Jahren erreichen.
Kehrt die Trockenzeit im Mai zurück, kommt eine weitere Eigenheit des Streifentenreks zum Tragen. Ihre Körpertemperatur sinkt ab bis sie kurz über der Umgebungstemperatur liegt. Damit sparen sie wertvolle Energie. Ab einer gewissen Temperatur verfallen sie jedoch genau wie andere Tenreks in einen Winterschlaf.
Beste Chancen, einen Streifentenrek zu entdecken, hat man während der Regenzeit in den Nationalparks Andasibe-Mantadia mit den angrenzenden Reservaten Mitsinjo, V.O.I.M.M.A. und Maromizaha sowie im Reservat Akanin’ny Nofy. Sie kommen relativ häufig vor und gelten daher als nicht gefährdet. Aber Vorsicht – wer sich den kleinen Kerlen zu forsch nähert, hat schnell mal ein paar Stacheln in der Hand!