Die Lemuren mit der namensgebenden orangefarbenen Fellkrone auf dem Kopf mögen zwar die kleinsten unter den Makis sein, gleichen dies jedoch durch Neugierde und Anpassungsfähigkeit wieder aus: Kronenmakis (Eulemur coronatus). Sie werden nicht schwerer als anderthalb bis zwei Kilogramm, und nur 35 cm groß. Die Herren der Schöpfung tragen eine schwarze Fellkappe in Mitten ihrer orangefarbenen Krone, während die Damen lediglich graues Fell zwischen dem orangenen V ziert.
Kronenmakis sind die kleinen Könige des Nordens
Kronenmakis leben im hohen Norden Madagaskars, unter anderem in den Nationalparks Montagne d’Ambre, Ankarana, Analamerana sowie im Schutzgebiet Loky-Manambato und sogar bis in den nördlichsten Zipfel der Insel. Am dortigen Cap d’Ambre kommt keine andere Lemurenart außer ihnen noch vor. Das Verbreitungsgebiet der Kronenmakis beginnt etwa auf einer gedachten Linie zwischen den Städten Ambilobe und Daraina und wird von den beiden Flüssen Mahavavy und Manambato begrenzt.
Kronenmakis sind recht anpassungsfähig und besiedeln sowohl Trockenwälder an der Küste als auch Regenwälder bis zu 1400 Meter über Meeresniveau. Selbst relativ offenes Gelände mit savannenähnlichen Gebieten ist für sie kein Problem, sie überqueren es nach eingehender Abwägung der Gefahrenlage auf dem Boden. In Ankarana findet man sie sogar immer wieder zwischen den rasiermesserscharfen Tsingys, den berühmten Nadelsteinfelsen. Sie springen über die lebensfeindlichen Felsen, die sonst kein anderer Lemur berührt, jeweils am Morgen und am Abend auf dem Weg zu ihren Futter- und Schlafplätzen im Wald.
Die Weibchen geben den Ton an
Kronenmakis sind sehr soziale Tiere und leben am liebsten in kleinen Gruppen von fünf oder sechs Weibchen mit je einem ausgewachsenen Männchen. Viel zu sagen hat der Mann in seinem vermeintlichen Harem jedoch nicht: Die Weibchen sagen bei den Kronenmakis, wo es langgeht. Sie sind nur einmal im Monat paarungsbereit, zum ersten Mal mit knapp zwei Jahren. Ran dürfen die Männchen jedoch nur zu Beginn der Trockenzeit im Mai und Juni. Die Trächtigkeit dauert rund vier Monate, in denen das Ende der Trockenzeit naht.
Die ersten Jungtiere der Kronenmakis werden Mitte September geboren, die letzten im Oktober. Mit der einsetzenden Regenzeit bietet der Wald einen reich gedeckten Tisch für Mutter und Jungtiere, so dass die kleinen Lemuren jetzt die besten Startbedingungen haben. Zwillinge sind bei Kronenmakis ziemlich häufig, und wiegen bei der Geburt etwas weniger als 60 Gramm. Sie sind noch komplett grau und trauen sich erst mit drei Wochen auf den Rücken ihrer Mutter. Dann ist es auch Zeit für erste, mutige Erkundungen auf eigene Faust – auch wenn dabei noch der ein oder andere Sprung daneben geht.
Der Speiseplan ist mehrheitlich vegetarisch
Im Alter von einem halben Jahr wird es Zeit für die jungen Lemuren, die Milchbar ihrer Mama zu verlassen. Auch der Platz auf Mamas Rücken wird so langsam eng. Hatten die Jungtiere vorher bereits unter Mamas strengen Augen immer wieder Pflanzen und Früchte gekostet, sich dann aber stets an die Milchbar geflüchtet, müssen sie sich jetzt ganz auf vegetarische Kost einstellen.
Auf dem Speiseplan eines Kronenmakis stehen vor allem Früchte, aber auch Blüten und Pollen. Seltener finden mal ein Insekt, Blätter oder etwas Erde ihren Platz im Magen der kleinen Lemuren. Auch herunter gefallenes Obst gibt eine gute Mahlzeit für Kronenmakis ab. In der Trockenzeit findet man sie häufig in den unterirdischen Höhlen von Ankarana, wo sie in den tief unter der Erde liegenden Seen und Bächen ihren Durst stillen.
Kronenmakis gehören zu den gefährdeten Tierarten
Kronenmakis plündern in der Regenzeit leider gerne die ein oder andere Mango- oder Litschiplantage, was ihnen unter den Madagassen nicht nur Freunde beschert. Sie werden häufig gejagt, allerdings nicht nur als Obstdiebe: In einigen Restaurants des Nordens steht das Fleisch der Kronenmakis heimlich auf der Speisekarte. Etliche Kronenmakis werden als Jungtiere der Wildnis entnommen, um sie als pet lemurs, als eine Art schlechtes Haustier, aufzuziehen. Isoliert von Artgenossen, fehlgeprägt auf Menschen und meist völlig falsch ernährt, fristen sie dann ein kurzes Dasein in menschlicher Obhut. Erlaubt ist das freilich alles nicht, weder die Jagd noch die Haltung in Privathand. An der Durchsetzung geltender Gesetze mangelt es jedoch vielerorts auf Madagaskar.
Die größte Bedrohung für Kronenmakis ist aber der schwindende Lebensraum. Brandrodung, Edelstein– und Goldminen sowie Holzschlag für Kohle, Edelholzhandel und Brennholz haben die Wälder des Nordens längst auf die wenigen Schutzgebiete reduziert. Waldkorridore zwischen den Parks und Reservaten gibt es nicht, so dass die einzelnen Kronenmaki-Populationen weitestgehend isoliert voneinander leben. Auf der roten Liste der IUCN werden Kronenmakis inzwischen als stark gefährdet geführt. Schätzungen belaufen sich auf maximal 10.000 verbliebene Individuen.
Außerhalb der roten Insel gibt es Kronenmakis lediglich in Zoos. Dies ist auch eine Chance für die Art: Sollte sich der natürliche Bestand der Tiere weiter verkleinern, könnten in Zoos aufgezogene Kronenmakis die genetische Vielfalt auf Madagaskar ergänzen. Sie erreichen in Gefangenschaft übrigens ein beeindruckendes Alter: 29 Jahre alt wurde der älteste bekannte Kronenmaki im Duke Lemur Center in England.
Am besten beobachten kann man Kronenmakis im Camp des Princes im Ankarana Nationalpark, im Schutzgebiet Loky-Manambato im Norden Madagaskars und im Reservat Akanin’ny Nofy südlich von Toamasina (Tamatave), wo sie erfolgreich angesiedelt wurden. An beiden Orten sind die Kronenmakis kaum scheu, dafür aber umso neugieriger und lassen sich aus nächster Nähe beobachten.