Dinosaurier und Pterosaurier waren wahre Giganten, so lautet die allgemeine Meinung über die Echsen der Urzeit. Das größte Lebewesen, was jemals auf der Erde gelebt hat, war der Dinosaurier Argentinosaurus. Mit 30 Metern Körperlänge und sagenhaften 70 Tonnen Gewicht übertraf er den berühmten Tyrannosaurus rex um Längen. Das größte Gegenstück dazu in der Luft war der Pterosaurier Quetalcoatlus. Der Flugsaurier mit dem unaussprechliche Namen brachte es auf eine unglaubliche Flügelspannweite von bis zu 13 Metern bei bis zu 200 kg Körpergewicht.
Ein Vorfahre beider Giganten lebte vermutlich auf Madagaskar. Doch er war das genaue Gegenteil der Giganten: Er war winzig. Um nicht zu sagen, einer der kleinsten, der je existiert hat. Sein Name war Kongonaphon kely und er hatte etwa die Größe einer heutigen Kaffeetasse. Man hätte den Minisaurier problemlos in die Hosentasche stecken können, hätte es zu seinen Lebzeiten schon Menschen oder Hosen gegeben.
Aber beginnen wir mit der Geschichte von vorne. 1998 wurden die ersten Fossilien des Winzlings bei Ausgrabungen im Südwesten Madagaskars im Makay-Massiv entdeckt. Die Forscher staunten nicht schlecht, als sie kleinste Skelettfragmente zwischen zwei Sandsteinblöcken entdeckten: Anteile eines Kopfes, ein Oberschenkelknochen, Fußknöchelchen, Wirbel und Teile von Oberarm und Unterschenkel. Der kleine Dinosaurier maß gerade einmal zehn Zentimeter in der Höhe. Noch überraschender war es, dass es sich bei dem Fund nicht um ein Jungtier handelte, wie zunächst angenommen, sondern um einen ausgewachsenen Dinosaurier.
Es dauerte dann jedoch 22 Jahre, bis Kongonaphon kely 2020 tatsächlich von US-amerikanischen und madagassischen Forschen als eigene Art beschrieben wurde. Heute geht man davon aus, dass der Winzling vor rund 237 Millionen Jahren lebte. Im sogenannten Trias, als die Dinosaurier und Pterosaurier gerade noch in den ersten Zügen ihrer Entwicklung waren.
Durch die geringe Körpergröße könnte der kleine Saurier sich besondere ökologische Nischen zu eigen gemacht haben. Allein die insektivore Ernährung gab ihm einen Vorteil gegenüber den damals vorwiegend Fleisch fressenden Konkurrenten. Durch den leichten Körperbau könnte sich der zweibeinige Gang, den viele spätere Dinosaurier nutzten, und die Möglichkeit zum Fliegen, was die Pterosaurier auszeichnete, entwickelt haben. Ein kleinerer Körper führt außerdem meist dazu, dass die eigene Körperwärme schlechter gehalten werden kann. Das könnte die Entwicklung von Federn begünstigt haben. Heute geht man davon aus, dass viele Dinosaurier und Pterosaurier tatsächlich nicht nur Schuppen trugen, sondern auch Federkleider.
Spuren an den Zähnen verraten, dass Kongonophon kely sich passend zu seiner Größe vorwiegend von Insekten ernährte. Entsprechend wurde übrigens sein Name gewählt: Eine Mischung aus Griechisch und Malagasy, die zusammen „kleiner Käferschlächter“ bedeutet. Kongonophon kely ist übrigens auch der erste sogenannte Lagerpetide, der überhaupt in Afrika entdeckt wurde. Die Vorfahren der Dino- und Pterosaurier waren bis dahin nur aus anderen Teilen der Welt bekannt. Das bestätigt, was wir eigentlich schon lange wissen: Madagaskar ist immer für eine Überraschung gut. Und sei sie auch noch so klein.
- A tiny ornithodiran archosaur from the Triassic of Madagascar and the role of miniaturization in dinosaur and pterosaur ancestry
PNAS 117 (30), S. 17932-17936 | USA 2020 | Autoren: Christian F. Kammerer, Sterling J. Nesbitt, John J. Flynn, Lovasoa Ranivoharimanana, André R. Wyss