Der See der Krokodile liegt im Norden Madagaskars zwischen den Großstädten Antsiranana (Diego Suarez) und Ambilobe. Die nächste Stadt westlich des Sees heißt Anivorano Nord, ist erreichbar über die RN6 und gehört zur Region Antsiranana. Der See selbst heißt eigentlich Antagnavo, ist vulkanischen Ursprungs und bekannt für seine unzähligen, teils enorm groß werdenden Krokodile (Crocodilus niloticus madagascariensis).
Um den See und seine Bewohner rankt sich eine düstere Legende, die jedermann in der Gegend gut kennt: Vor langer Zeit kam ein alter Mann in das kleine Dorf Antagnavo. Nach einem langen Marsch war er durstig und bat die Bewohner des Tals um etwas Wasser. Doch die Menschen verschlossen Fenster und Türen, niemand wollte dem Fremden etwas geben. Nur eine Frau, die ein Baby auf dem Arm trug, reichte dem alten Mann etwas zu trinken. Der trank das Wasser und sagte dann: „Wenn heute Nacht dein jüngstes Kind anfängt zu weinen, nimm deine Familie und deine Habseligekeiten und verlass das Dorf.“ Dann verschwand er. In der Nacht begann es zu regnen, und tatsächlich weinte das jüngste Kind der Frau. Dem Rat des alten Mannes folgend, nahm die Frau ihre Habseligkeiten und ihre Kinder und verließ das Dorf. Der Regen wurde stärker und stärker, und die kleine Familie suchte Zuflucht auf einem Hügel. Als sie morgens erwachten, war ein See an der Stelle, wo tags zuvor noch das Dorf gestanden hatte, und die Bewohner hatten sich in Krokodile verwandelt. Der alte Mann war ein Zauberer gewesen, und hatte sich an den Dorfbewohnern gerächt, indem er ihnen das Wasser gegeben hatte, was sie ihm verweigert hatten. Man sagt, dass die Krokodile des Sees teils immernoch den Schmuck an Armen und um den Hals haben, den sie als Menschen bei ihrer Verwandlung trugen.
Die Krokodile des Sees sind seitdem fady (tabu, heilig) und dürfen nicht gestört oder bejagt werden. Man erzählt sich, dass ein weißer Fremder eines Tages dieses fady brach und das größte Krokodil, den ehemaligen Dorfältesten Jaomarainga, tötete. Auf dem Rückweg zurück nach Antsiranana verstarb der Fremde bei einem mysteriösen Unfall. Am Fuß des toten Krokodils fand man ein Silberarmband.
Inzwischen ist das wöchentliche Füttern der heiligen Krokodile zu einem kleinen Geheimtipp unter Reisenden geworden. Die Straße nach Anivorano Nord ist inzwischen leider in einem schlechten Zustand, aber mit Geländewagen befahrbar. In einem kleinen Office am Marktplatz von Anivorano Nord ist ein Eintrittsgeld zu entrichten, dann geht es – immer samstags – an den rund vier Kilometer entfernten See. Mit Gesang und lautem Klatschen werden die hungrigen Krokodile ans Ufer gelockt, und dort mit Zebufleisch gefüttert. Zu Ehren der Ahnen befinden sich an diesem heiligen Ort auch Köpfe geopferter Zebus auf einem Pfahl. Neben neugierigen Reisenden pilgern viele Sakalava hierher, um Schutz, Glück, Gesundheit oder die Erfüllung bestimmter Wünsche von den Ahnen zu erbitten.