Wer ganz ohne Motor in madagassischen Städten unterwegs sein möchte, der nimmt am besten ein Pousse-Pousse. Das sind Rikschas aus bunt bemaltem Holz, die entweder von einem Mann zu Fuß oder auf dem Fahrrad (Cyclo-Pousse) gezogen werden. Auf Malagasy heißen die Gefährte posy posy, was aber lediglich die völlig gleich ausgesprochene madagassische Schreibweise des französischen Wortes ist. Übersetzt bedeutet es soviel wie „schieben, schieben“ – obwohl das Fahrzeug gezogen und nicht geschoben wird. Der Ausdruck stammt noch aus Zeiten, zu denen Pousse-Pousse anstatt vorne den Läufer hinten hatten. Dieser musste sich mangels Sicht hinter dem Gast auf seinen Vordermann verlassen. Der widerum lenkte, und wies den Hintermann stets an, zu schieben bzw. zu fahren: „Pousse, pousse!“
Ende des 19. Jahrhunderts kamen mit den ersten Chinesen, die als billige, fleißige Arbeitskräfte beim Bau von Eisenbahnstrecken und dem Canal des Pangalanes unter den Franzosen helfen sollten, auch die ersten Rikschas nach Madagaskar. Seitdem traten sie ihren Siegeszug durch das ganze Land an und ersetzten in Windeseile die bis dahin üblichen filanzane, ein zwischen vier Trägern auf den Schultern transportierter Holzsitz. Nur gehobene Bürger konnten sich die Fahrt im Pousse-Pousse leisten, und so wurden die Pousse-Pousse-Läufer und -Fahrer bald das Symbol der arbeitenden, ärmeren Bevölkerung Madagaskars. Auch heute gehören mehr als 90% der Pousse-Pousse nicht den Läufern oder Fahrern selbst. Die meisten sind im Besitz größerer Firmen, die die Fahrzeuge ihren Bediensteten für bis zu 2000 Ariary (weniger als 1 €) am Tag vermieten. Jede Firma bemalt ihre Pousse-Pousse in ihren persönlichen Farben, der Fahrer steuert ein paar Aufkleber oder eine Namensbeschriftung bei.
Die Läufer verdienen in aller Regel wenig, nicht einmal 500 Ariary (weniger als 20 Cent) bringt eine durchschnittliche Fahrt ein. Kostentechnisch ist das Pousse-Pousse damit das günstigste Transportmittel Madagaskars. Die meisten Pousse-Pousse-Träger sind barfuß unterwegs. So können sie schneller laufen und verlieren auf dem unebenen Boden nicht die (für die meisten Menschen sehr teuren und damit wertvollen) Schuhe. Trotzdem stemmen sie teils Tonnen an Gewichte, und verrichten diese Arbeit jeden Tag auf’s Neue.
Die heimliche Hauptstadt der Pousse-Pousse ist Antsirabe im südlichen Hochland Madagaskars. Hier bestimmen die kleinen Vehikel das Straßenbild, und Hunderte Menschen verdienen damit ihr Geld. Im Vergleich zu anderen Städten des Landes ist Anstirabe relativ flach gelegen, und so leicht mit dem Pousse-Pousse befahrbar. Offiziell sind in Antsirabe rund 3300 Pousse-Pousse registriert, tatsächlich dürften einige mehr auf den Straßen unterwegs sein. Die Registrierung erlaubt dem Läufer oder Fahrer, sich mit einer kleinen Karte als offiziell genehmigtes Pousse-Pousse auszuweisen. Sie verpflichtet ihn aber auch zur regelmäßigen Wartung des Fahrzeugs.
Zwei Personen finden im überdachten Pousse-Pousse Platz – ein kleines Abenteuer, dass man jedem Reisenden durchaus empfehlen kann. Preise handelt man am besten schon vor der Fahrt aus, denn wie überall bekommt man als Vazaha (Weißer) sonst im Nachhinein einen ordentlichen Aufschlag.