Im Nordwesten Madagaskars leben Lemuren, die zwar recht häufig vorkommen, aber dennoch kaum erforscht sind: Die Kronensifakas (Propithecus coronatus). Ihr Lebensraum wird begrenzt von den beiden Flüssen Mahavavy im Südwesten und dem Betsiboka im Nordosten. Heute gibt es aber Hinweise, dass die Art deutlich weiter verbreitet ist und auch Gebiete um Tsiroanomandidy, Amboloando (südlich von Miandrivazo) und den Fluss Sakay besiedelt. Damit kommen Kronensifakas auf Höhen von Meeresniveau bis zu 700 m über NN vor. Am einfachsten kann man sie auf der Halbinsel Katsepy in einem kleinen Waldgebiet beobachten. Die bevorzugten Reviere der Kronensifakas liegen in sandigen Trockenwäldern, aber sie kommen auch mit schmalen Waldkorridoren, Auwäldern und sogar Mangroven zurecht.
Kronensifakas erkennt man leicht am schokoladenbraunen oder schwarzen Kranz aus Fell, der das Gesicht umgibt, in Kombination mit einem cremefarbenen oder weißen Körper. Die Schultern, Oberschenkel, Brust und Rücken vor allem männlicher Individuen weisen goldbraune Abzeichen auf, die zum Bauch hin ins Goldgelbe übergehen. Diese Färbung stammt vor allem von den bei Männchen stark sezernierenden Brustdrüsen. Die Gesichter beider Geschlechter sind schwarz oder grau, genau wie Hand- und Fußflächen. Mit einer Körperlänge von rund einem Meter und 3,5 bis 4,3 kg Körpergewicht sind Kronensifakas nicht gerade die schwersten oder größten unter den Lemuren, aber dennoch beeindruckende Persönlichkeiten. Früher dachte man, die Tiere wären eine Unterart der Larven– oder Von-der-Decken-Sifakas – sehr ähnlich sehen sie ihnen tatsächlich.
Kronensifakas sind soziale Tiere, die in kleinen Gruppen von maximal elf Tieren leben. Die verschieden zusammengesetzten Gruppen halten sich besonders gerne in den Kronen dickstämmiger, großer Bäume auf und kommen nur selten auf den Boden. Wie bei fast allen Lemuren geben die Weibchen den Ton an, und bestimmen maßgeblich den Tagesablauf. Dabei wird fast die Hälfte des Tages mit Futtersuche verbracht, denn nicht alle Bäume bieten das richtige Grün für die wählerischen Lemuren. Ihr Speiseplan beinhaltet Blätter, Blüten, Knospen und in der Regenzeit auch Früchte. Die übrige Zeit nutzen Kronensifakas für ausgiebige gegenseitige Fellpflege, seltener auch mit Spielen. Soweit man bisher weiß, markieren sie ihre Reviergrenzen weniger oft als andere Arten und sind nicht die lautesten bei der Kommunikation mit Rufen. Den Sifaka-typischen und namensgebenden „Sheee-fak“-Ruf bei Gefahr zeigen Kronensifakas natürlich auch, wenden ihn aber selten an.
Gegenüber Eindringlingen der gleichen Art verteidigen sie ihre verhältsnimäßig kleinen, 12.000 bis 15.000 m² großen Territorien schonmal, vor allem dann, wenn es um Futterressourcen geht. Andere, in den gleichen Gegenden vorkommende Arten, wie Roter Maki (Eulemur rufus) oder Mongozmaki (Eulemur mongoz) werden friedlich toleriert. Die Paarungszeit der Kronensifakas liegt zwischen Januar und März. Nur alle zwei oder drei Jahre bringen die Weibchen jeweils ein oder zwei Jungtiere zur Welt, die dann lange Zeit bei den Eltern bleiben.
Im Gegensatz zu vielen anderen Lemuren waren die Kronensifakas auf der roten Liste der IUCN lange Zeit nur als „endangered“, also stark bedroht, gelistet. Tatsächlich geht man aber davon aus, dass die Population der Kronensifakas in den letzten 50 Jahren um über 50% abgenommen hat. Geschätzt 1000 Tiere sind noch übrig. Bedrohungen sind die Brandrodung ihrer Lebensräume und das Abholzen des verbliebenen Waldes für Brennholz, illegalen Export von Tropenholz und Viehweiden. Da die Art relativ anpassungsfähig ist, werden auch Individuen für den illegalen Handel außerhalb Madagaskars gefangen. 2018 wurde die Einstufung auf der roten Liste daher angehoben. Kronensifakas gelten jetzt auch offiziell als vom Aussterben bedroht.
Auf der Halbinsel Katsepy gibt es Bemühungen der Antrema Forest Station, den Schutz der Kronensifakas durch Forschung voranzutreiben. Außerdem existiert für diese Art ein europäisches Zuchtprogramm mit einer Hand voll Individuen (weniger als 20) in verschiedenen Zoos (u.a. Mulhouse und Besançon in Frankreich, Cotsworld und Port Lympne in Großbritannien sowie Apenheul in Holland und Belfast in Irland). Dies funktioniert nur deshalb überhaupt, weil die Tiere in der Auswahl ihrer Nahrung weniger stark eingeschränkt sind als zum Beispiel Indris, die in keinem Zoo der Welt gehalten werden. Des Weiteren existieren Bestreben, weitere Lebensräume des Kronensifakas unter Schutz zu stellen. Beim Kronensifaka könnte ein baldiges Eingreifen in den vermehrten Schutz der Habitate noch rechtzeitig genug sein, um stabile Populationen zu bewahren.