Richtig groß ist er eigentlich nicht, aber in seiner Familie zumindest ganz klar der größte: Der große Madagaskar-Baumleguan (Oplurus cuvieri) misst maximal 38 cm von der Nasen- bis zur Schwanzspitze. Gut 20 cm davon macht allein der schuppige Schwanz aus. Der große Madagaskar-Baumleguan gehört zur Familie der Madagaskarleguane, die es nur auf der roten Insel gibt. Die Art bewohnt vor allem den trockenen Westen und Nordwesten Madagaskars. . Ihr Lebensraum sind Trockenwälder. Hier und da haben sie sich auch an Sekundärvegetation und Savannen angepasst, Bäume werden jedoch ganz klar bevorzugt. Als einzigen Madagaskarleguan findet man Oplurus cuvieri auch auf Grande Comore, der größten Insel der Komoren. Es handelt sich wahrscheinlich dabei aber um eine eigene Unterart, wie genetische Untersuchungen zeigen.
Eigentlich hatte der französische Naturforscher Georges Baron de Cuvier den großen Baumleguan schon 1829 als Oplurus torquatus beschrieben. Zwei Jahre später nannte der englische Zoologe John Gray die Art Tropidurus cuvieri und dachte, es sei eine andere Spezies – letztlich ist der heutige Name der Art eine Mischung beider geworden.
An vielen Orten kommt ein anderer Madagaskarleguan im gleichen Lebensraum vor: Oplurus cyclurus, der Madagaskar-Stachelschwanzleguan. Auf den ersten Blick ähneln sich die beiden Arten enorm. Doch wer genau hinschaut, erkennt die Unterschiede: Oplurus cuvieri trägt zwischen den großen Wirtelschuppenreihen am Schwanz je eine Reihe kleiner Schuppen, Oplurus cyclurus nicht.
Wie der Name es schon verrät, leben Baumleguane vor allem an und auf dicken Baumstämmen. Sie kommen auch auf den Boden, um dort nach Nahrung zu suchen, betätigen sich aber meist als aufmerksame Lauerjäger. Gefressen wird eine breite Spannweite an Insekten, Spinnenartigen und Pflanzenteilen. In der kurzen Regenzeit gibt es mit reichlich Blüten und herunter gefallenem Obst ganz besondere Leckereien, die Baumleguane gerne auf ihren Speiseplan setzen. Während der deutlich längeren Trockenzeit gibt es nur wenig Grünes und auch die Insekten nehmen ab, so dass die Baumleguane sich in dieser Zeit mehr auf Ameisen und andere allgegenwärtige Insekten umstellen. Aber auch Skolopender – Hundertfüßer, deren Biss für den Menschen enorm schmerzhaft sein kann – werden vom großen Baumleguan problemlos verspeist. Zum Ruhen und in der Nacht suchen Baumleguane gerne hohle Baumstämme und Asthöhlen auf. So geschützt können sie die Nacht verbringen und sind relativ sicher vor Raubvögeln wie dem Echsenhabicht oder zu neugierigen Lemuren.
Mit Einsetzen der Regenzeit im Oktober bis November beginnt auch die Paarungssaison der Echsen. Die Paarung verläuft schnell und kann mehrfach wiederholt werden. Die Weibchen graben einige Wochen später eine Grube im Sandboden, in die sie zwei bis fünf weiße Eier ablegen. Dann wird die Kuhle hastig zugeschüttet und das Weibchen überlässt ihre Nachzuchten ihrem Schicksal, um sich erneut zu paaren und ein weiteres Gelege zu produzieren. Diese Strategie sorgt dafür, dass möglichst viele Leguaneier im Sandboden vergraben werden. Die nicht besonders tief vergrabenen Eier sind leichte Beute, vor allem für Schlangen wie die Hakennasennatter. Aus den überlebenden Eiern schlüpfen nach zwei Monaten Jungtiere. Die kleinen Leguane sind vom ersten Tag an autark und gehen sofort ihrer Wege. Als erwachsene Echsen machen sich die Baumleguane die Warnrufe von Vögeln zu nutze: Paradiesschnäpper, die im gleichen Lebensraum vorkommen, haben ähnliche Fressfeinde. Schallt der Warnruf eines Paradiesschnäppers durch den Trockenwald, so begeben sich auch die Madagaskar-Baumleguane in Hab-Acht-Stellung. Madagaskar-Baumleguane können übrigens enorme Lebensspannen erreichen. Einige Tiere in Menschenhand wurden schon über 30 Jahre alt.
Madagaskar-Baumleguane sind vor allem während der Regenzeit sehr gut zu beobachten, da sie in dieser Zeit am aktivsten sind. Im Reservat Kirindy sowie den Nationalparks Ankarafantsika, Zombitse-Vohibasia und Tsingy de Bemaraha sind sie häufig anzutreffen und wenig scheu. Außerhalb geschützter Gebiete kann man sie in den Regionen Ambanja, Ambilobe, Antsohihy, Itremo, Mahajanga und Miandrivazo in Waldgebieten entdecken. Durch seine weite Verbreitung auf Madagaskar gilt der große Baumleguan nicht als gefährdet. Er steht dadurch zwar nicht unter Schutz, die Populationsgröße geht jedoch insgesamt nur wenig zurück. Der große Madagaskar-Baumleguan wird also auch in vielen Jahren noch Reisende von Bäumen aus beobachten – und vice versa.