1875 fiel dem französischen Naturforscher Alfred Grandidier ein knallroter, dicker Frosch auf einer seiner vielen Reisen nach Madagaskar in die Hände. Gebracht hatte ihn ein Landsmann, der sich als Händler an der Ostküste niedergelassen hatte: Ein gewisser Herr Guinet. Der weit gereiste Grandidier nahm Tiere der noch unbekannten Art mit nach Frankreich und beschrieb sie dort erstmals. Warum ihm der Namen Tomatenfrosch (Dyscophus antongili und Dyscophus guineti) einfiel, dürfte klar sein: Das plumpe, runde Äußere und natürlich die Farbe lassen durchaus an ein gewisses rotes Gemüse denken. Auf Madagaskar nennt man den Frosch stattdessen „Sahongogogno“, was lautmalerisch seine Rufe darstellen soll.
Man kann die Geschlechter beim Tomatenfrosch leicht unterscheiden: Richtig schön rot oder orange sind nur die Damen, während die Herren einen gelblichen Rücken haben. Der Bauch bleibt bei beiden blass. Die Weibchen werden von der Nasenspitze bis zum Po fast 10 cm lang und erreichen stattliche Gewichte von bis zu einem halben Pfund. Die Männchen sind deutlich kleiner und mit maximal 50g auch sehr viel leichter.
Zu den Tomatenfröschen zählen genau drei Arten: Der „normale“ Tomatenfrosch (Dyscophus antongilii, benannt nach seinem Hauptfundort, der Bucht von Antongil), der gefleckte Tomatenfrosch (Dyscophus guineti, benannt nach seinem Finder) und der westliche Tomatenfrosch (Dyscophus insularis, der in diesem Artikel nicht beschrieben wird). Ob die beiden ersten überhaupt eigene Arten sind oder nicht vielleicht einer nur eine Farbvariante des anderen sein könnte, ist bis heute noch nicht geklärt.
Ursprünglich stammt der Tomatenfrosch von der Ostküste Madagaskars, und kommt auch nur dort und nirgends sonst auf der Welt in freier Natur vor. Der nördlichste Fundort ist Sambava, der südlichste soll zwischen Tolagnaro und Farafangana an der Südostküste liegen. Entlang der Küste und hinein ins Land bis auf 200 m Höhe kann man ihn finden. Allerdings ist das nicht so einfach, denn Tomatenfrösche leben sehr versteckt, am liebsten eingebuddelt in den Schlamm oder die Erde. Am besten gefällt es ihnen, wenn in der Nähe ein Teich ist oder ein langsamer Bach ein stehendes Gewässer gebildet hat. Der gefleckte Tomatenfrosch bevorzugt vor allem Regenwälder, während der „normale“ Tomatenfrosch auch entlang diverser Abflüsse in Dörfern, Gärten und in sumpfartigen Gebieten oder Teichen zu finden ist. Nachts ist das Auffinden etwas einfacher, denn dann gehen Tomatenfrösche auf die Jagd nach kleinen Insekten.
Gegen Ende der Regenzeit, im Februar und März, beginnt die Paarungszeit der Tomatenfrösche. Bis dahin hat es schon ordentlich Niederschlag gegeben, so dass optimale Bedingungen für den ans Wasser gebundenen Nachwuchs herrschen. Zur Paarungszeit quaken die Männchen lautstark aus ihren Wasserlöchern, und locken damit die Weibchen zu sich. Ist die passende Partnerin gefunden, klammert sich das Männchen an sie und verfällt in den sogenannten Amplexus, einen Klammerreflex.
Die bei der Paarung befruchteten klebrigen, weiß-schwarzen Eier werden in kleine Teiche oder andere stehende Gewässer abgelegt und schwimmen filmartig auf der Wasseroberfläche. Bis zu 1500 Eier kann ein Weibchen pro Gelege schaffen, meist bleibt es aber eher bei 1000 Eiern. Jedes Ei ist nicht größer als 2 Millimeter. Aus diesen winzigen Eiern schlüpfen nach nur 36 Stunden kleine, dicke Kaulquappen. Gerade einmal einen halben Zentimeter sind die Quappen lang, und nehmen Nahrung durch Filtern des Wassers um sie herum auf. Jetzt sind sie natürlich sehr angreifbar, und nicht viele Quappen schaffen es bis zum Frosch. Deshalb legt das Weibchen soviele Eier – je mehr Kaulquappen schlüpfen, desto größer ist die Chance, dass einige davon überleben. Nach einem Monat vollziehen die Kaulquappen ihre Verwandlung zum kleinen gelben Frosch und steigen aus dem Wasser, um ihr Leben an Land zu beginnen. Erst ab einer Körpergröße von zwei Zentimetern beginnen sie, die Erwachsenenfarbe auszubilden. Von Tomatenfröschen in Gefangenschaft weiß man, dass sie sechs bis zehn Jahre alt werden können. Das schaffen ihre Artgenossen in der Natur angesichts der vielfältigen Gefahren sicher nicht.
Auf der roten Liste der IUCN steht der gefleckte Tomatenfrosch als „least concern“, also nicht gefährdet. Erstaunlich dabei ist, dass der Tomatenfrosch in keinem einzigen Schutzgebiet Madagaskars vorkommt – er passt sich stattdessen an die Bedingungen an, die ihm seine Umwelt bietet. Seine Geschwisterart, der „normale“ Tomatenfrosch (Dyscophus antongili), ist dagegen als „near threatened“, also potenziell gefährdet, gelistet. Zum Export für die Terraristik, in der er seit Jahrzehnten sehr beliebt ist, wird daher nur der gefleckte Tomatenfrosch genutzt.
Neben der Bedrohung durch den Menschen und Lebensraumverlust, sind auch Schlangen und Lemuren eine Gefahr für den Tomatenfrosch. Doch die rote Farbe der ausgewachsenen Frösche schreckt viele Fressfeinde ab – und reicht das leicht giftige Hautsekret noch nicht, bläst sich der angegriffene Tomatenfrosch auf, um noch größer zu wirken. So passt er dem Angreifer schlecht ins Maul, und wird vielleicht noch einmal verschont. In Maroantsetra, direkt an der Bucht von Antongil, wird seit einigen Jahren mit Aufklärungsarbeit versucht, den Tomatenfrosch zu schützen und möglichst viele Madagassen mit ins Artenschutz-Boot zu holen. Die Hoffnung ist, dass die kleinen roten Kerle so langfristig eine gute Überlebenschance bekommen.