Flaschenbäume oder Madagaskarpalmen
Wer kennt sie nicht, die charakteristischen, bauchigen Bäume Madagaskars? Die Rede ist allerdings nicht von den weltberühmten Baobabs, gemeint sind die Madagaskarpalmen. Palmen sind sie allerdings nicht. Sie gehören eigentlich zu den Hundsgiftgewächsen. Besser passen die Namen Dickfuß oder Flaschenbäume. Oder man verwendet ganz einfach den botanischen Namen der Gattung: Pachypodium.
Pachypodien gehören zu den Sukkulenten, also Pflanzen, die besonders gut Wasser speichern können. Das sieht man ihnen auch an: Ihre Stämme sind bauchig, im Alter runzelig und ausgebeult. Diese Anpassung an karge Gegenden ermöglicht es ihnen, lange Trockenzeiten unbeschadet zu überstehen und in besonders unwirtlichen Regionen Madagaskars zu überleben. In dieser Zeit, in der es kaum oder gar nicht regnet, werfen alle Pachypodien ihre Blätter ab. Als Schutz gegen Tier und Mensch ist der Stamm der Flaschenbäume zusätzlich mit Dornen besetzt. Zu zweit oder zu dritt sitzen die bis mehrere Zentimeter langen Stacheln auf einem kleinen, warzenartigen Auswuchs. Je größer und älter ein Flaschenbaum wird, desto weniger Dornen hat der Stamm. Weltweit gibt es 22 Arten von Pachypodien. Ganze 17 davon sind endemisch auf Madagaskar.
Die unterschiedlichen Arten – große Pachypodien
Pachypodien teilen sich in zwei Wuchsformen auf. Einige Arten sehen aus wie flaschenförmige Bäume und ähneln, wenn sie alt genug sind, den berühmten Baobabs. Die beiden klassischsten Vertreter dieser Wuchsform und mit häufigste Pachypodien Madagaskars sind Pachypodium lamerei und Pachypodium geayi. Beide besiedeln den gesamten Süden und Südwesten von den Tsingy de Bemaraha über Ifaty, Toliara und Itampolo bis zum Cap St. Marie und nach Tolagnaro. Sie sind sehr anpassungsfähig und kommen mit verschiedenen Lebensräumen zurecht. Ob Dornwald oder Savanne, Trockenwald oder Inselberge – diese Pachypodien nehmen, was sie besiedeln können. Pachypodium geayi bevorzugt küstennahe Gebiete und wird durchschnittlich vier bis fünf Meter hoch, selten erreichen einzelne Exemplare zehn Meter. Pachypodium lamerei kommt auch höher gelegen vor und wächst zwei bis acht Meter gen Himmel. Sie blüht erst ab einer Wuchshöhe von anderthalb bis zwei Metern das erste Mal.
Im entgegen gesetzten Teil Madagaskars lebt Pachypodium rutenbergianum. Es kommt im hohen Norden Madagaskars vor, von Antsiranana und Ankarana sowie dem Montagne de Francais bis nach Daraina und auf die Insel Nosy Be. Außerdem findet man Pachypodium rutenbergianum im Westen Madagaskars von Mahajanga und Kirindy bis nach Maevatanana und Antsohihy. Der Stamm wird drei bis acht Meter hoch und kann einen Durchmesser von 60 Zentimetern erreichen.
Ebenfalls baumförmig und bis zu acht Meter hoch wächst Pachypodium sofiense, das vorwiegend im Westen und Norden Madagaskars vorkommt. Die Tsingy de Bemaraha und das Schutzgebiet von Beanka sind seine Heimat. Dieser Flaschenbaum wächst bevorzugt auf Kalk- und Gneissgestein. Pachypodium sofiense gilt als in seinem Bestand gefährdet.
In einem kleinen Teil des gleichen Verbreitungsgebiets, nämlich nur in den Tsingy de Bemaraha, kommt Pachypodium menabeum vor. Es wächst tatsächlich auf und zwischen den Tsingys. Benannt wurde es nach der Region, in der es vorkommt: Menabe. Die meisten Bäume dieser Art sind zwischen zwei und fünf Meter hoch. Der Stamm kann einen Durchmesser von 30 bis 40 Zentimeter erreichen. Optisch kann man Pachypodium menabeum leicht mit Pachypodium lamerei verwechseln. Die geringere Größe, der bauchigere Stamm und die glatten Blätter unterscheiden es aber auf den zweiten Blick sehr deutlich von der größeren Schwesternart.
Und wo wir gerade im Westen sind: Etwas weiter südlich liegt der Lebensraum von Pachypodium mikea. Dieser Flaschenbaum reckt seine Krone rund vier bis fünf Meter in die Luft und kommt vor allem in Dornwäldern der Südwestküste Madagaskars vor. In Ifaty, entlang der Salary Bay oder in Andavadoaka kann man Pachypodium mikea finden. Dieser Flaschenbaum wurde nach dem Volk der Mikea, den letzten Nomaden Madagaskars, benannt, die sehr versteckt in dieser Region leben. Und wie seine Namensvettern ist dieser Flaschenbaum speziell: Er wächst nur auf sandigem Boden oder Kalkgestein und stets in Sichtweite der Küste. Pachypodium mikea blüht zu Ende der Regenzeit, im Februar und März.
Weitab im Norden um Antsiranana bis in den Westen Madagaskars um Mahajanga lebt Pachypodium baronii. Dieser Flaschenbaum bleibt etwas kleiner, nur einen halben bis zwei Meter hoch wird er. Er wächst vorwiegend auf Kalk-, Granit- und Gneissgestein in subhumiden und Trockenwäldern. Wer diesen Flaschenbaum entdeckt, darf sich freuen: Die Art gilt als bedroht und selten.
Ebenfalls eher schwierig zu finden ist Pachypodium ambongense aus dem Nordwesten Madagaskars. Dieser Flaschenbaum wird nur bis zu anderthalb Meter groß und ist kaum verzweigt. Die Dornen können bis zu zehn Zentimeter Länge erreichen.
Eine dritte halbhohe Art aus dem Norden ist Pachypodium decaryi. Sie wird nur bis zwei Meter hoch, erreicht dafür aber gut 40 Zentimeter im Durchmesser des Stammes. Diese Art ist am nördlichsten Zipfel Madagaskars beheimatet, in den Gegenden um Ankarana, Antsiranana und dem Montagne des Français. Das Besondere an diesem Flaschenbaum ist, dass die Bedornung sehr stark reduziert ist.
Die Kleinen unter den Pachypodien
Die zweite Wuchsform der Pachypodien ist wesentlich niedriger. Diese Flaschenbäume haben einen extrem verbreiterten und sehr niedrigen Stamm, den man kaum als solchen erkennt. Diese ungewöhnliche Wuchsform des Stammes hat sogar einen eigenen Namen: Caudex.
Ein typischer Vertreter dieser skurrilen Wuchsform ist Pachypodium brevicaule. Der Stamm ist breiter als hoch und kann bis zu einen Meter im Durchmesser erreichen. Die Art wächst vor allem auf Felsen im zentralen Hochland zwischen Itremo und Antsirabe. Pachypodium brevicaule blüht zu Beginn der Regenzeit, von Oktober bis Dezember.
Ebenfalls sehr niedrig, aber ein klein bisschen größer, wächst Pachypodium densiflorum. Dieses Bäumchen erreicht immerhin einen Stamm von 70 Zentimetern Höhe, schafft aber dafür auch unglaubliche zwei Meter Durchmesser. Auch dieses Pachypodium blüht zu Beginn der Regenzeit. Man findet es recht gut im südlichen Hochland rund um Ambalavao, Itremo, Ambositra, aber auch im Andringitra-Nationalpark und nahe Ihosy. Grundsätzlich ist die Pflanze aber im gesamten Hochland verbreitet.
Ein dritter Vertreter der niedrigstämmigen Pachypodien ist Pachypodium eburneum. Ähnlich den beiden vorgenannten kommt die Art auf Quarzgestein im Hochland vor, allerdings sind nur zwei Populationen überhaupt bekannt. Davon befindet sich eine nahe Betafo und eine im Ibity-Massif, die allerdings inzwischen ausgestorben sein soll. Wissenschaftler gehen derzeit von weniger als hundert noch verbliebenen Individuen auf. Entsprechend gilt Pachypodium eburneum als vom Aussterben bedroht. Es ähnelt damit Pachypodium inopinatum, von dem ebenfalls nur noch eine einzige Population im Hochland bekannt ist. Leider kommt es nicht einmal in Schutzgebieten vor, so dass auch dieses Bäumchen als vom Aussterben bedroht gilt.
Noch gar nicht lange beschrieben ist ein Pachypodium aus dem westlichen Hochland um Mandoto, genau zwischen Miandrivazo und Antsirabe. Es wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt. Eigentlich würde man meinen, im kahlen Grasland dieser Gegend würde gar nichts Spannendes wachsen. Aber Pachypodium enigmaticum findet man genau dort, meist auf Quarzgestein sitzend. Das kleine Bäumchen wächst nur zehn bis fünfzehn Zentimeter hoch, aber bis zu 40 Zentimeter in die Breite. Die enorme Breite entsteht zum Teil dadurch, dass mehrere Stämme einer Pflanze miteinander regelrecht verschmelzen. Pachypodium enigmaticum blüht in der Trockenzeit, von Juni bis Juli.
Einer der bekanntesten Verteter der niedrigstämmigen Pachypodien ist Pachypodium rosulatum. Der Caudex dieses Bäumchens misst bis zu einem Meter im Durchmesser. Auf dem flachen, breiten Stamm sitzen unzählige lange, schlanke Zweige, die bis anderthalb Meter lang werden. In Ausnahmefällen reichen einzelne Zweige sogar über drei Meter in die Höhe. Man unterscheidet sechs verschiedene Unterarten. Die ursprüngliche Variante, Pachypodium rosulatum rosulatum, ist im Norden Madagaskars zu bestaunen. Pachypodium rosulatum bemarahense kommt in den namensgebenden Tsingy de Bemaraha vor. Pachyodium rosulatum bicolor lebt etwas südlicher der Tsingy im trockenen Westen Madagaskars. Eher mittig im Süden kann man Pachypodium rosulatum gracilius entdecken. Das Makay-Massif im Südwesten ist Namensgeber und Heimat von Pachypodium rosulatum makayense. Pachypodium rosulatum cactipes, wegen seiner kakteenähnlichen Optik so benannt, findet man im Südosten.
Im Süden und zentralen Süden Madagaskars rund um das Gebirge von Isalo findet man Pachypodium horombense, benannt nach der dortigen Ihorombe-Ebene. Es ist niedrigstämmig und man braucht viel Glück, um dieses Pachypodium zu entdecken.
Am entgegen gesetzten Ende Madagaskars, um Antsiranana und den Montagne des Français, ist noch Pachypodium windsorii beheimatet. Mehr als einen Meter Höhe erreicht dieses Pachypodum nicht. Sein Stamm und die Äste wachsen so niedrig, dass bei manchen Pflanzen dieser Art auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, welcher Teil der Hauptstamm ist.
Pachypodien finden sich heute weltweit als Liebhaberpflanze
Die meisten Pachypodien-Blüte sind weiß oder gelb. Nur Pachypodium baronii und windsorii tanzen aus der Reihe: Sie haben leuchtend rote oder pinke Blüten. Nur adulte Pflanzen blühen, jüngere dagegen noch nicht. Flaschenbäume werden auf Madagaskar von verschiedenen Insekten bestäubt, die von den großen, leuchtenden Blüten angezogen werden.
Pachypodien sind heute auf der ganzen Welt als Zierpflanze verbreitet. Am häufigsten findet sich außerhalb Madagaskars Pachypodium lamerei, da es verhältnismäßig einfach zu pflegen und zu vermehren ist. Aber auch die anderen Pachypodien haben ihre Liebhaber und regelrechte Spezialisten in Pflege und Haltung. Vor allem die urigen Wuchsformen der niedrigstämmigen Pachypodien sind beliebt, allerdings nicht ganz so einfach in der Haltung. So mancher nimmt die Herausforderung aber gerne an. Und nicht wenige kommen wegen der Pachypodien nach Madagaskar gereist – in das Land der Baobabs und der Flaschenbäume.