Im Südwesten Madagaskars, zwischen Dornwäldern und Holzhütten, lebt ein Gecko mit auffällig bunter Färbung: Standings Taggecko (Phelsuma standingi). Wer die trockene, heiße Gegend zwischen Morombe, Toliara (französisch Tuléar) und dem Nationalpark Isalo besucht, wird diesem schönen Reptil früher oder später einmal begegnen. Es lebt ursprünglich in Trocken- und Dornwäldern, kann jedoch heute heute – entgegen vieler anderslautender, veralteter Berichte – häufig an Holzhütten und Steinhäusern gefunden werden. An letzteren findet man sie vor allem deshalb einfacher, weil die Geckos in freier Natur hohe Bäume wie alte Tamarinden und Sterkuliengewächse bewohnen und von unten trotz der auffälligen Färbung oft schwierig zu entdecken sind.
Erst 1913 wurde der bunte, den Madagassen längst wohlbekannte Gecko, von den beiden britischen Zoologen Paul Ashyford Methuen und John Hewitt beschrieben. Zwei Jahre zuvor hatten die beiden eine sieben Monate andauernde Expedition nach Madagaskar unternommen und mehrere Exemplare der Art konserviert – der Größe nach vor allem Jungtiere. Sie benannten ihren Fund nach Herbert F. Standing, einem befreundeten Paläontologen und Missionar aus Antananarivo. Standings Taggecko gehört heute zu den größten Phelsuma auf Madagaskar, und kann beeindruckende Körperlängen von bis zu 26 cm erreichen – einige Ausnahmeexemplare werden sogar noch größer.
Von etwa Dezember bis März dauert die Regenzeit im Verbreitungsgebiet des Standings Taggeckos. Die Geckos zeigen dann ihre schönsten Farben mit leuchtend grünem, schwarz marmoriertem Kopf und hellblauem Schwanz. Die Unterseite bleibt stets grau-weiß. Nun ist die beste Gelegenheit, sich zu paaren – es ist die futterreichste Zeit des Jahres. Vorwiegend Insekten stehen auf dem Speiseplan des Standings Taggeckos. Kleine Falter, Motten, Fliegen und Mücken fressen sie besonders gerne, und schnappen die Insekten geschickt aus der Luft. Aber auch vor kleineren Geckos machen Standings Taggeckos ab und an nicht Halt – in der lange andauernden Trockenzeit, in der es so gut wie nie regnet und lediglich Tautropfen am Morgen Erfrischung bieten, werden sie von den angelegten Fettreserven zehren müssen. Von anderen Taggeckos weiß man, dass sie gerne am süßen Nektar verschiedener Bäume naschen. Es ist davon auszugehen, dass auch Standings Taggeckos sich während der kurzen Regenzeit an heruntergefallenen Früchten oder Nektar bedienen, beobachtet wird es jedoch selten.
Nach einer erfolgreichen Paarung dauert es knapp sechs Wochen, bis das Weibchen zwei runde, weiße Eier in dunkle Blattachseln legt. Bis zu 12 Eier pro Saison schafft ein Weibchen. Nach rund zwei Monaten schlüpfen die jungen Geckos, und sind dabei gerade mal wenige cm lang. Sie zeigen ein anderes Farbkleid als ihre Eltern mit regelrechten Tigerstreifen auf leuchtendem Grün. Man nimmt an, dass diese Zeichnung sie vor den adulten Tieren ihrer eigenen Art und deren Hunger schützt. Die auffällige Färbung der Jungtiere verliert sich im Alter von acht bis zehn Monaten, geschlechtsreif sind die Geckos jedoch erst mit knapp zwei Jahren.
Seit mehr als 10 Jahren gibt es für Phelsuma standingi keine Export-Quoten über das Washingtoner Artenschutzabkommen mehr. Wurden noch in den 90er Jahren unzählige Tiere für den Handel exportiert, kommt die Terraristik heute gut mit Nachzuchten des Standings Taggeckos aus. Die Tiere erfreuen sich nicht nur wegen ihrer Farben und ihrem freundlichen Naturell großer Beliebtheit, sondern können auch recht einfach gepflegt und gezüchtet werden. Standings Taggeckos können dabei ein Alter von über 20 Jahren erreichen. Ein großes Problem jedoch bleibt: Die Populationen des Standings Taggeckos schwinden. Beutegreifer wie Vögel oder Schlangen spielen dabei nur eine kleine Rolle, entscheidend sind die Zerstückelung und der großflächige Verlust von Lebensraum. Wie so viele andere Reptilien muss der Standings Taggecko sich mit abgerodeten Wäldern, grasenden Zebuherden und immer weiter größer werdenden menschlichen Siedlungen arrangieren. Auf der roten Liste der IUCN wird die Art inzwischen als gefährdet gelistet. Wieviele Tiere tatsächlich noch existieren, ist unbekannt.
Wer einige davon in freier Natur oder direkt am eigenen Urlaubsbungalow finden möchte, sollte sich im Frühjahr im Nationalpark Zombitse-Vohibasia und nördlich von Toliara in den vielen kleinen Küstendörfern umsehen, darunter Ifaty-Mangily mit dem Reservat Reniala. Hier findet man zum Ende der Regenzeit noch sehr viele dieser wunderschönen Geckos, und kann sie in Ruhe beobachten.