Vor Ankunft der Menschen war Madagaskar die Heimat tierischer Giganten, die mit den ersten Menschen nach und nach ausstarben: Ein gigantischer Lemur soll auf Madagaskar gelebt haben, außerdem ein riesenhafter Adler, eine übergroße Fossa und natürlich auch einer der größten Vögel, die jemals auf der Erde existiert haben. Tatsächlich gab es nicht nur einen Elefantenvogel auf Madagaskar, sondern mindestens sieben verschiedene Arten. Sie sahen ähnlich aus wie die heutigen afrikanischen Strauße, nur wesentlich stärker und größer:
Zwischen 250 und 440 kg soll der größte bekannte Elefantenvogel, Aepyornis maximus, auf die Waage gebracht haben. Mit bis zu drei Metern Höhe war er außerdem ein echter Riese. Etwas kleiner, aber nicht weniger stämmig waren Aepyornis medius, Aepyornis hildebrandti mit bis zu 65 kg und 1,5 m Größe und Aepyornis gracilis. Außerdem gab es da noch die kleineren und weniger wuchtig gebauten Elefantenvögel: Mullerornis agilis mit nur 1,50 m Höhe, Mullerornis betsilei und Mullerornis rudis. Bei der Artbestimmung ist bisher allerdings vornehmlich die Größe der Tiere zu Grunde gelegt worden, so dass die ein oder andere Art möglicherweise nur das kleinere oder größere geschlechtliche Gegenstück einer anderen sein könnte.
Elefantenvögel haben wahrscheinlich vorwiegend im späten Pleistozän im Übergang zum Holozän (das bis heute andauert) gelebt, also bereits vor etwa 43.000 Jahren. Genetischen Untersuchungen zu Folge sind die Elefantenvögel mit den heute lebenden neuseeländischen Kiwis sowie den afrikanischen Emus verwandt. Die Verwandschaft ist auch äußerlich sichtbar: Wie Kiwis und Emus hatten auch die Elefantenvögel ihre Flugfähigkeit verloren, dafür aber lange, sehr lauffähige Beine gewonnen. Ihr Schnabel war dick und lang, so dass sie im Boden nach Knollen suchen oder harte Schalen aufbrechen konnten. Man nimmt heute an, dass sie ähnlich den Kasuaren in Australien vorwiegend Waldbewohner waren, die viel Zeit des Tages mit der Futtersuche verbrachten und sich ähnlich Allesfressern ernährten. Ob Elefantenvögel allerdings tagaktiv waren, wird seit 2018 bezweifelt. Der schlecht ausgeprägte Sehbereich im Gehirn könnte darauf hindeuten, dass die riesigen Vögel nachtaktiv waren. Ursprünglich kamen sie wahrscheinlich auf ganz Madagaskar vor. Die bevorzugten und letzten Habitate dürften im Südwesten Madagaskars in der Gegend um Morondava gelegen haben, wo heute noch viele Fossilien gefunden werden.
Wahrscheinlich wuchsen Elefantenvögel recht langsam, das zumindest ist aus Untersuchungen der Knochen hervorgegangen. Entsprechend langsam dürften sie sich auch fortgefplanzt haben, von mehr als zwei Eiern pro Gelege geht man nicht aus. Die wenigen Eier jedoch konnten Umfänge bis zu einem Meter und rund sieben Liter Inhalt erreichen. Ärchäologen haben sogar vollständig erhaltene Exemplare auf Madagaskar gefunden. Noch heute liegen Unmengen der zerbrochenen Eischalen am Faux Cap im äußersten Süden der Insel – ganze Strände bestehen dort aus Eischalen-Resten. Findige Madagassen setzen sie wieder zu ganzen Eiern zusammen und verkaufen diese an Reisende – nach Hause mitnehmen darf man die Kuriositäten jedoch nicht.
Menschliche Überlieferungen zu den madagassischen Elefantenvögeln sind fast so alt wie die Menschen auf Madagaskar selbst. Bereits im 9. Jahrhundert berichten arabische Seefahrer in den Märchen von Tausendundeine Nacht vom mystischen Vogel Rokh, einem gigantischen Adler größer als ein Elefant. Dieser Riesenvogel war dem Seefahrer Sindbad auf einer Insel im Indischen Ozean begegnet, und verstrickte ihn in Abenteuer. Es könnte sein, dass die madagassischen Elefantenvögel ursprünglich die lebendige Vorlage für diese Kreatur waren. Natürlich wurde das im Märchen noch reichlich ausgeschmückt. Auch bei den Seefahrern des 13. Jahrhunderts kursierte noch die Legende vom Vogel Rokh. In einem Reisebericht von 1298 schrieb Marco Polo, dass ihm Menschen auf Madagaskar von einem Tier namens „Rukh“ berichtet hätten, das aussehen solle wie ein Adler und sich von Elefanten ernähren würde.
Hier vermischten sich offenbar die Märchen aus dem Orient mit Erzählungen von realen Riesenvögeln, denn Elefanten hat es auf Madagaskar nie gegeben. Wie hätte sich dort also ein riesenhafter Vogel von ihnen ernähren sollen? Spannend ist jedoch, dass Polo mit der Ortsangabe „aus dem Süden Madagaskars“ gar nicht so falsch lag. Es ist also durchaus möglich, dass Madagassen ihm zumindest von einem riesigen mythischen Vogel erzählten.
Leider überlebten die Elefantenvögel die Ankunft der Menschen auf Madagaskar nicht lange. Ihre Eier wurden gegessen, was Kratzspuren menschlicher Werkzeuge an Eierschalen beweisen. Die Vögel wurden sicher auch wegen ihres Fleisches gejagt und verspeist. Von den Menschen mit auf die Insel gebrachtes Geflügel könnte außerdem die ein oder andere Vogelkrankheit eingeschleppt haben, der die über Jahrhunderte isolierten Elefantenvögel nichts entgegenzusetzen hatten. Zusätzlich hatte ein Klimawandel bereits am Übergang vom Pleistozän ins Holozän zu wesentlich trockeneren Lebensräumen und einer geringeren Populationsdichte geführt, es waren also bereits bei Ankunft der Menschen auf Madagaskar weniger Elefantenvögel da. Nicht zuletzt kam mit den Menschen die flächenübergreifende Brandrodung Madagaskars dazu, und das besiegelte das endgültige Ende der Elefantenvögel.
Die letzte Beobachtung lebender Elefantenvögel stammt möglicherweise aus dem Jahre 1658. Der Franzose Étienne de Flacourt behauptete, es gebe im Süden Madagaskars den Vorompatra (Madagassisch für „Vogel der Ampatra“, die heutige Region Androy hieß damals so), einen dem Strauß ähnlichen Riesenvogel, der aber sehr zurückgezogen lebe. Belegt ist diese Sichtung nicht – die meisten Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass die Elefantenvögel schon viel früher ausstarben, etwa um 1300 nach Christus.
Heute befinden sich die meisten Knochen von auf Madagaskar gefundenen Elefantenvögeln im Naturhistorischen Museum in Paris. Aber auch in vielen anderen Museen weltweit finden sich Eier, rekonstruierte Skelette oder einzelne Knochen wieder. Tatsächlich liegt die Forschung um diese interessanten Tiere aber eher brach, und es bleiben noch sehr viele Geheimnisse der Elefantenvögel zu lüften.