Klein, aber oho! Der Madagaskar-Paradiesschnäpper (Terpsiphone mutata) ist sicherlich einer der schönsten Vögel der Insel, obwohl das Fliegengewicht gerade mal 12 g schwer wird – das ist gerade mal so viel wie ein Esslöffel voll Reis. Er gehört zur Familie der Monarchen und ist ein Singvogel.
Ihn kann man überall auf der Insel beobachten, von Dornwäldern bis Regenwälder besiedelt er fast alle Lebensräume. Nur große Höhen über 1600 m überlässt er lieber anderen Vögeln. Es muss auch gar nicht immer ein ganzer Wald sein: Den Paradiesschnäpper findet man hin und wieder schon in größeren Gärten. Wegen der hohen Anpassungsfähigkeit gibt es die Art auch auf anderen Inseln des Indischen Ozeans, aber auf jeder Insel kommt nur eine Unterart vor. Auf Madagaskar ist der Rotbrust-Paradiesschnäpper (Terpsiphone mutata mutata) endemisch.
Beschrieben wurde der kleine Vogel im Jahre 1766 vom schwedischen Zoologen Carl von Linné, der sich der Erforschung von Tieren und Pflanzen aus aller Welt widmete. Madagaskar hat er nie besucht und den Paradiesschnäpper vermutlich auch nie lebend gesehen. Der deutsche Vogelkundler Constantin Gloger änderte den ursprünglichen Namen des Paradiesschnäppers 1827 dann in Terpsiphone mutata. Der Name kommt aus dem Griechischen und dem Latein, er bedeutet so viel wie „andere entzückende Stimme“.
Männchen und Weibchen lassen sich leicht unterscheiden, vor allem zur Balzzeit: Das Männchen trägt ein weißes Federkleid mit schwarzem Kopf, schwarzen Schwungfedern und einer weißen Flügelbinde. Der Stoß mit den markanten Mittelfedern ist das auffälligste Merkmal der männlichen Paradiesschnäpper: Bis zu 18 cm kann er lang werden! Die Damen kleiden sich das ganze Jahr über in rotbraun mit schwarzer Maske oberhalb des Schnabels und schwarzen Schwungfedern. Neben den beiden typischen Geschlechtsfärbungen gibt es noch eine dritte Variante, und zwar rotbraun gefärbte Männchen. Früher dachte man, es seien Jungtiere oder Vögel außerhalb der Brutsaison, doch die rote Variante des Männchens kann man das ganze Jahr über vereinzelt finden. Man vermutet heute einen genetischen Hintergrund.
Die Ernährung des Paradiesschnäppers besteht fast ausschließlich aus fliegenden, kleinen Insekten und Spinnen. Kleine Falter, aber auch Fliegen, Mücken und Insektenlarven stehen auf dem Speiseplan. Paradiesschnäpper nutzen außerdem die Hilfe anderer Vögel, um an ihre Beute zu gelangen: Sie folgen Rostbauchnewtonien (Newtonia brunneicauda) oder Rotvangas (Schetba rufa) und schnappen sich alle Insekten, die das vorausfliegende Tier aufgescheucht hat. Grundsätzlich ist der Paradiesschnäpper kein großer Flieger. Er beobachtet lieber und hüpft im niedrigen Geäst umher, legt aber selten lange Flugstrecken zurück.
Mit der Regenzeit ab November beginnt die Brutsaison für die Paradiesschnäpper. Es ist die insektenreichste Zeit des Jahres, und bietet damit optimale Voraussetzungen für die erfolgreiche Aufzucht der Jungen. Die frühesten Paare balzen bereits im September. Um besonders attraktiv zu wirken, stellt das Männchen seine langen Schwanzfedern nach oben. Hat sich ein Paar gefunden, geht es zur Paarung. Sowohl das Männchen als auch das Weibchen beteiligen sich gleichermaßen am Nestbau. Und das Nest ist sehr speziell: Es hat die Form eines Trichters, klebt an einem Ast bis zu vier Meter über dem Boden und besteht aus trockenen Grashalmen, dünnen Ästchen und – auf den ersten Blick auch eher skurril – Spinnweben. Innen wird das Nest mit Moos gepolstert. Nicht mal eine Woche benötigen die Paradiesschnäpper, bis ihr Nest bereit für drei kleine, schwach rosafarbene, braun gepunktete Eier ist.
Jetzt beginnt eine schwierige Zeit für die wachsamen Eltern: Madagaskar-Kuckus (Cuculus rochi) versuchen, fremde Eier ins Nest zu schmuggeln. Gabeldrongos und andere Vögel zerlegen die fein säuberlich hergerichteten Nester, um das Nistmaterial selbst weiterzuverwenden. Gebrütet wird beim Paradiesschnäpper deshalb abwechselnd, für rund zwei Wochen. Dann schlüpfen die jungen Nestlinge. Noch sind sie nackt, aber schon nach wenigen Tagen sprießen die ersten Federn. Bereits nach zehn oder elf Tagen werden die kleinen Paradiesschnäpper zu Ästlingen. Die Eltern versorgen die Jungvögel weiter, die zwar schon zwischen den Ästen umher springen, aber noch nicht besonders gewandt fliegen. Meist brüten Paradiesschnäpper-Paare zwei Mal pro Regenzeit. Kurioserweise haben Paare, bei denen das Männchen einen besonders langen Federschwanz hat, bessere Aufzuchterfolge als bei Männchen mit verhältnismäßig kurzen Schwanzfedern. In der Trockenzeit muss der Nachwuchs flügge sein, denn dann nimmt das Nahrungsangebot in vielen Gegenden Madagaskars rapide ab. Nur wer bereits ein geschickter Fliegenjäger ist, kann dann überleben.
Der Madagaskar-Paradiesschnäpper gilt nicht als gefährdet, auch wenn es noch keine Zählung gab. Er hat einige natürliche Feinde wie Raubvögel, Schlangen und große Chamäleons, aber auch Madagaskarratten sind vielerorts ein Problem für die Tiere. Trotzdem dürfte der Paradiesschnäpper auf Madagaskar noch viele Jahre vorkommen, und noch viele Menschen mit seinem hübschen Äußeren und seinem Gesang erfreuen.
- Fotos, Gesang und Videos in The Internet Bird Collection (IBC)
- Habitat density, song structure and dialects in the Madagascar paradise flycatcher
Wissenschaftl. Artikel | Journal of Avian Biology 2006 | Autoren: Wouter van Dongen, Raoul Mulder - Ontogeny of male plumage dichromatism in Madagascar paradise flycatchers
Wissenschaftl. Artikel | Journal of Avian Biology 2003 | Autoren: Raoul Mulder, Robert Ramiarison - The composition and foraging behaviour of mixed-species flocks of forest-living birds in Madagascar
Wissenschaftl. Artikel | Internat. Journal of Avian Science 1993 | Autoren: Kazuhiro Eguchi, Satoshi Yamagishi und Voara Randrianasolo