In Regenwäldern sind sie zu Hause: Kleine, bunte, stachelige Kreaturen in Spinennetzen. Es sind Stachelspinnen, die durch ihr außergewöhnlich geformtes Bauchteil wenig ins typische Feindbild des schnellen, gruseligen Achtbeiners passen wollen. Stattdessen bewegen sie sich relativ langsam und behäbig, man möchte sie fast niedlich finden. Hübsch sind sie allemal.
Stachelspinnen sind tagaktiv und gehören zu den echten Radnetzspinnen. Mit einem knappen Zentimeter Länge sind sie ziemlich klein, warten dafür aber mit knalligen Farben auf. Jedenfalls die Weibchen – männliche Stachelspinnen sind eher unscheinbar, nur wenige Millimeter klein und schwarz. Die meisten würden sie einfach übersehen.
Auf Madagaskar gibt es fünf verschiedene Arten Stachelspinnen: Die häufig vorkommende Gasteracantha versicolor mit den beiden Unterarten avaratrae und formosa, Gasteracantha rhomboidea madagascariensis, deren Schwesternart auf den Komoren vorkommt, Gasteracantha thorelli von Nosy Be, die sehr selten gesehene Gasteracantha sanguinolenta und Gasteracantha rufithorax, die etwas kleiner bleibt als die übrigen Arten.
Alle fünf Arten kann man recht leicht am Aussehen der Weibchen unterscheiden: Die einen haben größere Stacheln, die anderen kleinere oder mehr, und wieder andere tragen ganz andere Farben. Mit Krabbenspinnen haben Stachelspinnen übrigens gar nichts zu tun. Sie werden auf Madagascar zwar oft und gerne „crab spiders“ genannt, dieser Begriff hat sich aber vor allem wegen ihrer Fortbewegung eingebürgert.
Weibliche Stachelspinnen sind viel beschäftigt: Jeden Abend spinnen sie ein neues Netz. Zuerst werden drei Fäden verbunden, die ein Dreieck zwischen drei geeigneten Objekten, z.B. Ästen, bilden. Hinein spinnt das Weibchen dann strahlenförmig nach außen gerichtete Stützfäden. Diese halten die nächsten Spinnenfäden, die symmetrisch im Kreis gewoben werden und das typische Radnetz vollenden. In der Mitte des Netzes ist der Lauerplatz der Spinne, den sie mit einem etwas dichteren, feinen Netz unterlegt. Männchen bauen gar kein Netz. Sie hängen im wahrsten Sinne des Wortes ab, und zwar an einem Spinnfaden irgendwo im Baum frei schwebend, nie allzu weit von den Netzen der Weibchen entfernt.
Bei der Balz trommeln die Männchen mit ihren Beinen auf das Netz des Weibchens, um sich bemerkbar zu machen. Hält das Weibchen den Trommler für einen passenden Partner, klebt sie ihn regelrecht mit Spinnfäden in ihrem Netz fest. Es folgen mehrere Paarungen. Weibliche Stachelspinnen können bis zu einem Jahr alt werden. Männchen haben nur eine geringe Lebenserwartung von wenigen Monaten, bis sie ihren Lebenszweck – die Fortpflanzung – erfüllt haben. Schon wenige Tage nach der Begattung sterben sie. Das Weibchen baut derweil einen Kokon, in den sie später bis zu 260 Eier legt. Der Kokon wird unter ein Blatt nahe des Netzes geklebt und kunstvoll eingewoben.
Junge Stachelspinnen benötigen nur wenige Wochen, bis sie ausgewachsen sind. Die hohe Zahl von Spiderlingen verstreut sich bereits kurz nach dem Schlupf im umliegenden Gestrüpp. Ab jetzt ist sich jeder selbst der Nächste. Und es lauern viele Gefahren für den Stachelspinnen-Nachwuchs: Kleine Chamäleons, Skinke, Schildechsen und andere Reptilien, sogar größere Spinnen ergänzen ihren Speiseplan liebend gern mit jungen Stachelspinnen. Stachelspinnen fressen im Gegenzug auch praktisch alles, was klein genug ist und in ihrem Netz landet: Winzige Fliegen und Falter, Läuse und kleine Käfer sind Teil ihres Futters. Zappelt ein Beutetier im Netz, läuft die Stachelspinne sofort hin und beißt zu: So injiziert sie ihr Gift, und das Beutetier stirbt. Dann wickelt sie es ein und hängt es in ihr Netz. Für Menschen ist das leichte Gift völlig harmlos.
Übrigens stammt fast das gesamte Wissen über das Leben der Stachelspinnen vom Festland Afrikas. Auf Madagaskar befindet sich die Forschung zu diesen Tieren nicht einmal in ihren Kinderschuhen, es gibt sie aktuell einfach gar nicht. Entsprechend wenig weiß man darüber, wieviel Stachelspinnen es überhaupt noch auf Madagaskar gibt, ob sie bedroht sind und was man für ihren Schutz tun könnte. Und das, obwohl Stachelspinnen eher sanftmütig und ruhig sind, und sogar auf die Hand genommen kaum Abwehr zeigen. Ein Grund, sich näher mit ihnen zu beschäftigen und die menschliche Scheu zu überwinden: Es warten noch soviele kleine Naturwunder mit acht Beinen in Madagaskar.