Mitten in Antananarivo, in einer unscheinbaren Seitengasse, befindet sich eine eigene kleine Welt: „Le village“, zu Deutsch „Das Dorf“. Es ist eine Werkstatt, in der hochwertige, maßstabsgetreue Schiffsmodelle hergestellt werden. Holzschnitzarbeiten findet man fast überall auf Madagaskar – Schiffe dieser Qualität jedoch nur hier. 1992 wurde vom Franzosen Hervé Scrive und seiner Frau Nadine der Grundstein für die Werkstätten in Ambohibao gelegt. Hervé hatte schon seit 1985 geschäftlich mit Schiffsmodellen zu tun gehabt, sich aber dann entschlossen, eine eigene Werkstatt auf Madagaskar zu eröffnen. 2013 wurden die Werkstätten an das ebenfalls französische Ehepaar Salabert übergeben.
Heute arbeiten 30 Mitarbeiter hier, viele davon schon seit über 10 Jahren. Alle Schiffe werden in monatelanger Handarbeit aufwändig und sorgsam hergestellt. Alles beginnt mit zertifizierten einheimischen Edelhölzern, darunter vor allem Palisander. Nach den original Bauplänen der Schiffe – für die Belem, die Hermione und die Pen Duick hat die Werkstatt sogar die Exklusivrechte – werden Schablonen angefertigt, nach denen die verschiedenen Bootsteile dann ausgesägt werden.
Eine ganze Wand wird inzwischen nur von Schablonen gefüllt. Um das Holz in Form zu bringen, muss es über Feuer erwärmt und geschickt in die richtige Position gebogen werden. Eine zu schnelle Bewegung und das Holz bricht! Sind alle Teile geformt, kann das Grundgerüst des Schiffs zusammengesetzt und verleimt werden. Dann wird das Holz mit Leinöl und Bienenwachs behandelt – auf Lackierungen verzichtet man soweit möglich. Anschließend geht es an die Details: Galionsfiguren, Kabinen, kleine Holzdekore und Wappen werden von Hand geschnitzt. Kleine Kanonen, Falltüren und handgedrechselte Ladung in Form von Fässern und Kisten finden ihren Platz auf den Schiffsmodellen. Nach und nach werden die noch leeren Schiffe so mit Leben erfüllt.
In einem anderen Häuschen sind Metallkünstler zugange: Sie schweißen insbesondere bei aktuelleren Schiffsmodellen hier eine kleine Reling aus Kupfer, da einen Anker. Sind die Holz- und Kupferdetails abgeschlossen, kann das Schiff in die Malerwerkstatt. Hier wird gemalert und beschriftet, alles in Originalfarben. Ist der Bootsrumpf fertig, wandert das Schiff ins letzte Haus. Besonders geschickte Mitarbeiter sind mit der Takelage, dem Nähen passender Segel und dem Anbringen originalgetreuer, winziger Taue beschäftigt. Die Takelage jedes Schiffs wäre, würde man die Taue abrollen und die Segel setzen, voll funktionsfähig. Damit die Segel bei historischen Schiffen „alt“ aussehen, werden sie mit Tee eingefärbt.
Nach durchschnitlich fünf bis sechs Monaten Arbeit verlässt ein Schiff die Werkstatt. Pro Jahr schafft „das Dorf“ dank seiner vielen Mitarbeiter ungefähr 350 Modelle. Einzeln zertifiziert wird jedes Schiff dann im Schauraum ausgestellt oder direkt an seinen Käufer ausgeliefert. Nicht nur historische Schiffe wie Captain Cooks Endeavour oder Lieutenant Blighs Bounty gibt es zu kaufen, auch Fantasieschiffe wie die Black Pearl aus Fluch der Karibik sind Teil des Repertoires. Außerdem gibt es moderne Yachten und Segelboote sowie Passagierschiffe wie die RMS Titanic zu bestaunen. Wer sich für Nautik begeistert, kann hier außerdem handgefertigte Welt- und Seekarten in Form von Holztableaus finden.
Selbst wer mit Schiffen nicht viel zu tun hat, wird von dieser Werkstatt begeistert sein. Unter der Woche können die Werkstätten von 8 bis 16 Uhr kostenfrei besichtig werden, die Schauräume haben auf Anfrage auch samstags geöffnet. Die Werkstatt liegt unweit des Flughafens Ivato, so dass man auch auf dem Weg dorthin hier vorbeischauen kann. Die Preise kleinerer Schiffsmodelle starten bei etwa 250 €, größere und extrem detaillierte Arbeiten können in den vierstelligen Bereich gehen. Der Versand dieser grandiosen Meisterstücke ist übrigens gar kein Problem: Die Werkstatt stellt selbst zu jedem Schiff passende Holzkisten her. Das Schiff wird darin so geschickt befestigt, dass es selbst Kofferbänder am Flughafen problemlos übersteht. Übrigens gibt es Schiffe von Le Village in ausgewählten Geschäften in Paris, Lyon (Frankreich), der Schweiz und Österreich – für alle, die es nicht selbst nach Madagaskar schaffen.
- Adresse: LOT 036F Ambohibao, Antananarivo 101
- Weitere Galerien auf Madagaskar:
48 Rue Colbert in Diego Suarez
Immeuble Aro in Hellville auf Nosy Be - Website von Le Village
- Facebook-Seite von Le Village