Bereits im 19. Jahrhunderts erreichte mit den ersten jesuitischen Missionaren auch das Wissen um den Weinanbau die Insel Madagaskar. 1802 kultivierte der Botaniker André Michaux erstmals Reben der Sorte „Isabelle“ (Vitis labrusca) in der Gegend um Ivondro – wohl mehr aus Neugierde denn aus wirtschaftlichen Gründen. 1845 produzierte der Franzose Jean Laborde unter den kritischen Augen der Königin Ranavalona I. Wein nördlich der Hauptstadt in Mantasoa. 1886 versuchten sich Amerikaner nahe Ambositra im südlichen Hochland im Anbau von Weinreben, und es folgten einige weitere Versuche in vielen Teilen des Landes. Aus dem Jahre 1905 zeugen Überlieferungen der Merina von knapp 0,37 km² Anbaufläche für Wein im Hochland Madagaskars.
Erst zu Kolonialzeiten unter Frankreich, genauer in den 1920er Jahren, erreichte der Weinanbau tatsächlich nennenswerte Mengen. 1958 gründete ein französischer Zisterzienser-Abt das Kloster Maromby, wenige Kilometer nördlich von Fianarantsoa. Heute leben und arbeiten im Kloster fast ausschließlich madagassische Mönche, und immernoch wird dort traditionell Wein hergestellt. 1971 wurde die Genossenschaft „Lazan’i Betsileo“ (Stolz der Betsileo) nahe Fianarantsoa gegründet. Sie entstammt einem Projekt Schweizer Entwicklungshilfe und des madagassischen Staats, und besitzt sieben Weinanbaugebiete und damit fast die Hälfte des Gesamtvolumens an Reben auf Madagaskar. Mit dem Aussetzen der Schweizer Entwicklungshilfe geriet das Unternehmen jedoch in eine tiefe Krise, von der es sich nur schleppend wieder erholt und zeitweise sogar völlig handlungsunfähig war. Unter der Aufsicht von Lazan’i Betsileo agiert eine weitere Art Genossenschaft madagassischer Winzer, Fiombonan’ny Mpamboly Voaloboka (FMV).
Zwischen 1960 und 2000 wuchs der Weinbau Madgaskars von weniger als einem auf 5,5 km² Fläche. In einigen Reiseführern ist heute von 27 km² Weinanbaufläche auf Madagaskar zu lesen – woher diese Zahl allerdings stammt, bleibt ungeklärt. Einige Weinkenner schätzen die Gesamtanbaufläche für Trauben auf Madagaskar aktuell auf rund 30 bis 40 km², einige aber auch auf nur 6 km². Genaue Angaben oder gar Messungen gibt es nicht.
Die einzige Gegend, in der auf Madagaskar Reben wachsen, ist das südliche Hochland zwischen Antsirabe und Fianarantsoa. Beide Städte sind über die RN7 verbunden und innerhalb mehrerer Tage mit dem Pkw gut von der Hauptstadt Antananarivo aus zu erreichen. Hier herrscht ein gemäßigtes, warmes Klima, mit nicht zu stark ausgeprägten Trocken- und Regenzeiten. Dementsprechend können hier Trauben angebaut werden, während es im weiteren Süden und Westen viel zu heiß und zu trocken ist, und der Osten deutlich zu nass wäre.
Eine Hand voll Winzer kümmert sich heute um die Bewirtschaftung der Flächen, und sorgt für einen überschaubaren Weinmarkt innerhalb der Landesgrenzen. Es sind vorwiegend Franzosen und die madagassischen Nachkommen Anfang des 20. Jahrhunderts eingewanderter Chinesen, die den madagassischen Weinbau in die Hand genommen haben. Einheimische Winzer, meist vom Volke der Betsileo, bewirtschaften rund 40% der vorhandenen Wingerte. Eine dritte Gruppe Winzer wird von Nachkommen der Missionare gestellt, die in Klöstern wie Monastère Wein herstellen.
Auf Madagaskar werden Reben meist in Zeilen entlang hölzerner Spaliere gepflanzt. Einige Flächen werden noch mit einer hölzernen Rankhilfe pro Pflanze, die Reben bunt verteilt auf einem großen Feld, kultiviert. Ähnlich dem Reis sind Weinanbaugebiete oft in Terrassen angelegt. Die größten Feinde der Winzer sind das tückische tropische Klima und Schädlinge, zu denen neben der Reblaus auch Termiten und Vögel gehören. Entsprechend der erschwerten Bedingungen gedeihen auf Madgakar vor allem Hybrid-Reben gut, darunter Couderc Blanc, Syval Blanc und Villard Blanc für Weißwein und Villard Noir, Chambourcin, Varousset sowie Petit Bouchet (Cabernet Sauvignon) für Rotwein. Alle diese Sorten sind sogenannte französisch-amerikanische Hybriden, entstanden aus Kreuzungen verschiedener Vitis-Arten in den 1860er Jahren in Europa. Sie sollten die robusten amerikanischen Weinsorten mit der Feinheit und Eleganz des europäischen Weins verbinden. Seit 2010 stellt ein französisch-madagassisches Winzerpaar auf Madagaskar unter dem Namen Clos Nomena Wein ausschließlich aus europäischen Rebsorten (Vitis vinifera) her. Der größte Weinanbaubetrieb Madagaskars, Soa Vita, holte sich ein Jahr zuvor Hilfe aus Frankreich, um zumindest teilweise auf europäische Reben umzusatteln. Zumindest einen kleinen Anteil europäischer Rebsorten nutzen auch die übrigen Winzer.
Die Weinlese findet auf Madagaskar im Februar statt, also zu Ende der tropischen Regenzeit. Alle Arbeitsschritte sind reine Handarbeit, nichts wird von Maschinen erledigt. Refraktometer zur Messung des Zuckergehalts der Trauben kennen Madagassen nicht. Um die richtige Zeit zur Lese herauszufinden, probiert man die Trauben ganz einfach. Der Most aus den ausgepressten Trauben landet in großen Beton-, seltener Stahlfässern, wo er sechs Monate lang gärt. Holzfässer gehören nicht zur Ausrüstung der meisten Kellereien und auch Hefezusätze sucht man vergeblich. Dafür wird den meisten Sorten eine ganze Menge Rohrzucker, teils bis zu 20%, zugesetzt (Chaptalisation).
Ein großes Problem der madagassischen Winzer stellt die Abfüllung und Verkorkung dar. Bis heute gibt es nirgendwo auf der Insel eine Glasfabrik, weshalb Glasflaschen teuer importiert werden müssen. Daher werden die meisten Flaschen eingesammelt, mit einer Mischung aus Asche und Wasser geschrubbt und wiederverwendet. Gerade in kleineren Dörfern kann es durchaus passieren, dass man Wein aus einer ehemaligen Rumflasche serviert bekommt. Verkorkt wird per Hand mit alten Tischverkorkern.
Neben Rotwein, Weißwein und Rosé bekommt man auf Madagaskar auch Vin gris, eine Art Weißherbst. Außerdem werden verschiedene Aperitif-Weine hergestellt, die mit Kokos-, Ananas oder Orangengeschmack versehen werden. Noch heute ist madagassischer Wein weltweit eher unbekannt und wird vielfach als Wein minderer Qualität abgetan. Sicherlich ist die Qualität oft nicht besonders rühmlich, und der Weinanbau ist noch lange nicht so ausgefeilt wie in Europa. Nichtsdestotrotz hat auch der madagassische Wein seine Daseinsberechtigung, und viele Weine können als gute Tafelweine durchgehen.
- Domaine Lovasoa, Soaindrana
Weine: Vin de Betsileo - Domaine Mendrika, Soaindrana
Weine: Domaine Mendrika - Chan Fao Tong, Antsirabe
Weine: Grand Cru d’Antsirabe - Monastère de Maromby, Fianarantsoa
Weine: Clos de Maromby - S.A. Chan Foui et fils, Ambalavao
Weine: Coteaux d’Ambalavao, Cote de Fianar, Beauvallon, Blanc doux de Maroparasy - S.A. Lazan’i Betsileo, Fianarantsoa
Weine: Haute Matsiatra - Sociéte Mac et frères, Ambohimalaza
Weine: Clos Malaza - Sociéte Malaza Sarl, Soanierana
Weine: Cru Malaza - Verger-Thonon-Canone Viticulteurs, Domaine de Manamisoa, Soavita
Weine: Chateau verger, Vin de Manamisoa